Marina Gioti

Marina Gioti, To krifó scholió (Die geheime Schule, 2009), Digitalvideo, schwarz-weiß, Ton, 11 min

Marina Gioti, The Invisible Hands, 2017, digitales Video, Installationsansicht, EMST – Nationales Museum für Zeitgenössische Kunst, Athen, documenta 14, Foto: Angelos Giotopoulos

Marina Gioti, The Secret School, 2009, Digitalvideo, Installationsansicht, Neue Galerie, Kassel, documenta 14, Foto: Mathias Völzke

Ein blondes Paar, das auf einem Strand nahe Athen mit vollem Einsatz eine Mischung aus Racquetball und Softball spielt, begleitet von den Dead Kennedys und „California Über Alles“. Eine junge griechische Hausfrau, die fieberhaft ihre bereits blitzblanken Fenster putzt und dabei einen Zustand der Glückseligkeit erlebt. Was haben diese beiden Werbespots aus den 1980er Jahren gemeinsam? Und in welcher Beziehung stehen sie zu einem kurzen Propagandafilm aus der Zeit der griechischen Militärdiktatur (1967–1974), in dem eine Familie durch ein Museum der griechischen Geschichte wandert und über die Idee der „patriotischen Pflicht“ diskutiert, wobei die Worte der Älteren und Priester immer mehr an satanische Verse erinnern? Zudem: Was verbindet diese bewegten Bilder mit den aufgezeichneten Streifzügen des Musikethnologen und libanesisch-amerikanischen Underground-Musikers Alan Bishop – Teil der legendären Sun City Girls und Mitbegründer des Labels Sublime Frequencies –, der kurz nach dem Aufstand von 2011 beschloss, nach Kairo zu ziehen, um dort mit lokalen Musiker_innen zu arbeiten?

All diese Werke sind – auch wenn sie auf den ersten Blick wenig Verbindendes haben mögen – unverzichtbare Elemente eines einzigen Projekts: Marina Giotis kontinuierliche, durch künstlerische Interventionen geprägte Auseinandersetzung mit „Geschichte“. Beeinflusst vom Geist des Punk, spürt die 1972 geborene und in Athen lebende Künstlerin anhand alternativer Methoden jenen Narrativen nach, die hinter der offiziellen Geschichtsschreibung verborgen sind. So bearbeitet sie immer wieder „zufällig entdecktes“ Filmmaterial aus Fernsehen und Kino, um Vergessenes ans Tageslicht zu bringen und einer kritischen Überprüfung zu unterziehen. Dabei geht es Gioti nicht nur um die Beschäftigung mit der Frage, wie Vergangenheit konstruiert wird, sondern auch um das Erfinden von Geschichte in der Gegenwart.

In ihren Filmen prangert sie die binäre Logik des Lokalen und Globalen an – ob sie nun das Phänomen des „amerikanischen Traums“ untersucht oder jenes der „guten Hausfrau“, das Narrativ von der einzigartigen Rolle der Kirche bei der Bewahrung der griechischen Sprache im Osmanischen Reich oder den Entstehungsprozess eines Musikalbums in politisch unsicherer Zeit in Ägypten. Marina Giotis Arbeiten werfen nicht selten ein Schlaglicht auf die potenzielle Schizophrenie, die aus dieser Logik resultiert – insbesondere in peripheren Realitäten, wie sie für Griechenland charakteristisch sind, das nicht nur als Wiege der abendländischen Zivilisation gilt, sondern sich kulturell auch Afrika und dem Nahen Osten verbunden fühlt.

— Marina Fokidis

Gepostet in Öffentliche Ausstellung
Auszug aus dem documenta 14: Daybook
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