Jani Christou
(1926–1970)

Jani Christou, Archivmaterialen, Installationsansicht, Athener Konservatorium (Odeion), Athen, documenta 14, Foto: Stathis Mamalakis

Jani Christou, Archivmaterialen, Installationsansicht, Athener Konservatorium (Odeion), Athen, documenta 14, Foto: Stathis Mamalakis

Jani Christou, Archivmaterialen, Installationsansicht, Athener Konservatorium (Odeion), Athen, documenta 14, Foto: Stathis Mamalakis

Jani Christou, Archivmaterialen, Installationsansicht, Athener Konservatorium (Odeion), Athen, documenta 14, Foto: Stathis Mamalakis

Jani Christou, Archivmaterialen, Installationsansicht, Athener Konservatorium (Odeion), Athen, documenta 14, Foto: Stathis Mamalakis

Jani Christou, Archivmaterialen, Installationsansicht, Athener Konservatorium (Odeion), Athen, documenta 14, Foto: Stathis Mamalakis

Jani Christou, Partitur, Arbeitsordner und Fotografien von Epicycle I, 1968, Sammlung Familie Jani Christou und Music Sales Classical
, Installationsansicht, documenta Halle, Kassel, documenta 14, Foto: Nils Klinger

Jani Christou, Partitur und Arbeitsordner von Praxis for 12, 1966, Sammlung Familie Jani Christou und Music Sales Classical
, Installationsansicht, documenta Halle, Kassel, documenta 14, Foto: Nils Klinger

„‚Metapraxis’ beschäftigt sich mit dem Durchbrechen der Bedeutungsschranke eines einzelnen Mediums, was auch immer dieser Medium sein mag. Wann immer dies geschieht, ist da Musik. Dies kann in jedem Medium geschehen, gesetzt den Fall, Metapraxis kann stattfinden. Musik kann lautlos sein.“

—Jani Christou, Gedanken (13. Dezember 1969)


„... der Begriff ‚lunare Erfahrung’ ist das grundsätzliche Bewusstsein oder Gefühl des Menschen vom Leben als einem dynamischen System wiederkehrender Muster, plus seine elementare Angst vor der Nichterneuerung irgendeines dieser Muster – eine Angst, die durch die zusätzliche Gefahr einer Eklipse, die den Gesamtprozess auf jeder Stufe seines Ablaufs bedroht, umso bedrohlicher gerät.

Seit der Frühgeschichte des Menschen haben wir einen langen Weg zurückgelegt, wir sind den Pfaden des Geistes und des Gehirns hinab gefolgt um dorthin zu gelangen, wo wir heute sind. Doch scheinen wir mit all unseren Errungenschaften während unserer Reise durch die Geschichte in der Tat jede Menge Müll angehäuft zu haben, monumentale Belanglosigkeiten; es sieht so aus, als wären wir in Wahrheit gar nicht gereist, oder vielleicht doch, aber es war nur eine Rundreise, und jetzt sind wir wieder da, wo wir angefangen haben, und sehen wieder hinauf zum Mond am dunklen Himmel und fragen uns, ob er sich wohl erneuern oder von der Dunkelheit verschluckt werden wird; und die ganze Zeit haben wir Angst vor der ständigen Drohung – die jetzt eine sehr reale ist – einer plötzlichen und totalen Verfinsterung.“

—Jani Christou, Gedanken (1968)


Wann immer eine Aktion mit dem Ziel durchgeführt wird, mit der allgemein gültigen charakteristischen Logik einer Kunstform konform zu sein, nennt man diese Aktion „Praxis“, oder eine zielgerichtete und charakteristische Aktion. Wenn aber eine Aktion mit dem Ziel durchgeführt wird, über die allgemein gültige charakteristische Logik einer Kunstform hinauszugehen, so nennt man diese Aktion „Metapraxis“, oder absichtlich nicht-charakteristische Aktion – eine „Meta-Aktion“. Innerhalb der performativen Künste veranlasst jede Aktion, für die ein Performer die gängige Logik seines Mediums verlassen muss, ihn auch, die Logik seines gesamten Aktionsfeldes wie er es kannte zu verlassen. Diese Aktion ist eine „Metapraxis“, sie ist zielgerichtet untypisch. Im Gegensatz dazu ist eine Aktion, die absichtlich nicht mit der gängigen Logik dieses Mediums konform ist, eine „Praxis“, solange sie zielgerichtet „charakteristisch“ ist.

—Jani Christou, Praxis for 12 (1966)


In Epicycle Phase I verzichte ich freiwillig auf meine Rolle als Komponist im Sinne eines Organisators einer Abfolge von Eckdaten innerhalb der begrenzten Dauer einer gewöhnlichen Aufführung. Dieser Verzicht verpflichtet mich, alle negativen Aspekte dieser Entscheidung zu akzeptieren – etwa die lose Form, keine Form, Wiederholung, keinen Sinn, das Fehlen von Synthese, die Abschaffung einer „Klimax“, die Neutralisierung des musikalischen „Einschlags“ und so weiter. Diese Selbst-Benachteiligungen gehen weit über zufällige Funktionsfehler heraus, die in fast jeder Probe auftreten können, etwa das Nichtfunktionieren von elektronischem Equipment oder dergleichen. Andererseits wurde die Rolle des Komponisten aber auch nicht lediglich zugunsten des Überraschungseffekts eines „Happening“ (der sich sowieso schnell abnutzt) abgewertet. Die Rolle des Komponisten wurde abgewertet, um allen in diesem Moment verfügbaren Elementen zu erlauben, als Symbole eines Ereignisses aufzutreten – sicherlich keines „künstlerischen Ereignisses“, und auch keines künstlich erzeugten. Ich weiß, dies ist ein gefährliches Spiel. Aber es ist wichtig, um zur Wurzel einer Protoperformance zu gelangen, der Wurzel aller Kunst (ultimativ spiegelt dies eine Infragestellung der Gültigkeit von Geschichte an sich wieder, und der historischen Gesellschaften, die „Kunst“ bedeutsam machten).

In Epicycle ging es mir auch um eine Konfrontation mit Chaos – nicht unter einem „komponierten“ oder dekorativen Aspekt (was die sicherere, konventionelle Haltung wäre), sondern im negativen, „nicht-künstlerischem“ Sinn. Und abgesehen von den nicht synthetisierten Ereignissen, die die Performer_ innen hervorbrachten, nahm die Arbeit auch Beiträge der Zuschauer_innen an, und diese Beiträge waren zahlreich und spontan.

Der andere Aspekt, der mir wichtig ist, ist dass sowohl das symbolische Wiederaufführen von Ereignissen, als auch die spontanen Beiträge des Publikums innerhalb eines konzeptuellen Rahmens stattfanden: dem in der Partitur von Epicycle mit einer a-historischen (für die Geschichte nicht relevanten) Dimension eines Kontinuums angelegten Konzept, das die historische Dimension der zeitlichen Ereignisse mit sich trägt. In diesem Sinne ist Epicycle den Protoperformances ähnlich, in welchen Aktionen allein dadurch signifikant sind, weil sie zu einer weiter gefasste Perspektive gehören, und nicht wegen ihrer dekorativen Natur oder ihrer Funktion als Komponenten innerhalb der „Kunst“.

—Jani Christou, Auszug aus einem Brief vom 30. Dezember 1968, der vom Adressaten in einem Vortrag am 19. Dezember 1974 im Zentrum für plastische Künste in Athen öffentlich gemacht wurde

Gepostet in Öffentliche Ausstellung
Verwandte Einträge

Epicycle for any participant

von Jani Christou

Adaption für eine Realisierung von Rupert Huber

Das Werk kann jede beliebige Zeitdauer annehmen: Tage, Wochen, Monate oder Jahre. Diese Zeitspanne wird zum Zeitmaßstab für den Umfang von Dauer 1 und…

 Mehr
Kalender

Epicycle und Project 21

von Jani Christou

Die späten Werke von Jani Christou sind von den Tendenzen der Konzeptkunst geprägt. Sein Archiv enthüllt eine Fülle von Ideen für Kompositionen, die er aufgrund seines frühen Todes nicht mehr…

 Mehr
Kalender

Epicycle for any participant

von Jani Christou

Adaption für eine Realisierung von Rupert Huber

Das Werk kann jede beliebige Zeitdauer annehmen: Tage, Wochen, Monate oder Jahre. Diese Zeitspanne wird zum Zeitmaßstab für den Umfang von Dauer 1 und…

 Mehr
Kalender