Beau Dick
(1955–2017)

Beau Dick, Volcano Woman Mask (2009), Lebensbaumholz, Pferdehaar, Farbe, 63,5 × 30,5 × 12,7 cm, Installationsansicht aus der Gruppenausstellung Lalakenis/All Directions: A Journey of Truth and Unity (2016), Morris and Helen Belkin Art Gallery, University of British Columbia, Vancouver, Kanada, courtesy Beau Dick und Macaulay und Co. Fine Art, Vancouver, und Morris und Helen Belkin Art Gallery, University of British Columbia, Vancouver, Foto: Michael R. Barrick

Beau Dick, 22 Masken aus der Serie „Atlakim“, 1990–2012, diverse Materialien, Installationsansicht, EMST – Nationales Museum für Zeitgenössische Kunst, Athen, documenta 14, Foto: Mathias Völzke

Beau Dick, Installationsansicht, documenta Halle, Kassel, documenta 14, Foto: Roman März

Beau Dicks Name bedeutet in der Kwakw’ala-Sprache „großer, mächtiger Wal“. Seine Schnitzarbeiten stellen häufig Dzunuk’wa dar, die „Wilde aus den Wäldern“, sowie ihr männliches Pendant Bakwas. Diese beiden übernatürlichen Gestalten beherrschen die Kosmologie der Kwakwaka ʹwakw und dementsprechend auch die Kunst von Beau Dick. Bakwas ist ein Räuber der Seelen. Er ködert seine Opfer mit vergifteter Nahrung – Kröten, Schlangen, Echsen und Maden. Wer seine Gaben verspeist, wird selbst zum Bakwas und bleibt für immer im Haus der Geister gefangen. Dzunuk ʹwa ist Kannibalin. Sie trampelt durch die Wälder, schnappt sich ungehorsame Kinder und steckt sie in ihren Korb aus Lebensbaumzweigen, um sie später zu fressen. Ihr riesiges Gesicht ist schwarz wie vom Feuer versengt, und ihre roten Lippen sind stets geschürzt, als riefe sie „HUU! HUU!“

Dick schnitzt nicht einfach Masken, sondern Lebewesen mit einer großen Bedeutung außerhalb des begrenzten Bereichs zeitgenössischer Kunst. Er untergräbt beharrlich ihren Status als Kunstware. 2012 entfernte er vierzig Atlakim-Wald-Masken von den Wänden seiner Galerie und brachte sie zurück zu seiner Dorfgemeinschaft in Alert Bay. Dort ließ man sie ein letztes Mal tanzen, bevor sie feierlich verbrannt wurden. Die Zerstörung schließt eine Wiedergeburt ein, da sie die lebenserhaltende Verantwortung mit sich bringt, eine neue Serie von Masken zu schnitzen.

In seiner ererbten Position als Chief ist der 1955 geborene Künstler innerhalb seiner Gemeinschaft äußerst aktiv. Kaum hat man mit der Fähre angelegt, zeigt sich seine Handschrift in geschnitzten Totempfählen hoch oben auf dem Hügel bis zu Gedenkpfählen am Ufer der Bucht. Seit einiger Zeit gelingt es ihm, Menschen außerhalb seiner Dorfgemeinschaft zu mobilisieren. Im Februar 2013 marschierte er auf Anregung der Aktivistengruppe Idle No More und seiner Töchter Linnea und Geraldine von Quatsino in Richtung Süden nach Victoria (British Columbia), wo er vor etwa 3.000 Anhänger_innen auf den Stufen des regionalen Legislative Assembly eine „Nunmgala“ genannte Kupferplatte zerbrach. 2014 versammelte er eine noch größere Zahl von Unterstützer_innen am Parliament Hill in Ottawa und zerbrach auch dort eine Kupferplatte. Als Schöpfer von Ungeheuern entlarvt er nun auch Ungeheuer anderer Art. Denn das rituelle Zerbrechen der Kupferplatten vor den beiden Sitzen der Macht ist ein Aufruf zum Widerstand gegen Kolonialismus und Kapitalismus: „Indem wir diese Platte brechen, wenden wir uns gegen die Tyrannei und Unterdrückung eines Staates, der die Menschenrechte missachtet und sich für den allmächtigen Dollar von der Natur abwendet. Wir handeln im Einklang mit unseren Gesetzen.“

— Candice Hopkins

Gepostet in Öffentliche Ausstellung
Auszug aus dem documenta 14: Daybook
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von Candice Hopkins

Beau Dick erhielt den Namen „Walis Gwy Um“, was in der Sprache Kwank‘wala „großer, mächtiger Wal“ bedeutet. Seine Schnitzarbeiten schöpften aus dem Übernatürlichen, als sei alles, was er…

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