Emeka Ogboh

Emeka Ogboh, Sufferhead Original (Kassel Edition) (2017), Fotografie, documenta 14, Foto: Mathias Völzke und Oliver Blohm

Emeka Ogboh, The Way Earthly Things Are Going, 2017, Mehrkanal-Soundinstallation und Echtzeit-Welt-Aktienindizes, Installationsansicht, Athener Konservatorium (Odeion), documenta 14, Foto: Mathias Völzke

Emeka Ogboh, Sufferhead Original (Kassel Edition), 2017, Fotografie, documenta 14, Foto: Mathias Völzke und Oliver Blohm

Klänge sind Emeka Ogbohs vorrangiges Ausdrucksmittel und die Basis seiner Auseinandersetzung mit anderen Medien, um die Vielschichtigkeiten und Zusammenhänge unseres Daseins zu ergründen. Es sind die materiellen wie akustischen Eigenheiten von Lautphänomenen, um die es dem Künstler (geboren 1977 in Nigeria) dabei geht. Sein Interesse gilt vor allem der in Richard Lepperts Essay „Reading the Sonoric Landscape beschriebenen „Allgegenwart von Klängen“. In Lagos etwa sind diese nicht nur sichtbar und hörbar, sie können auch erspürt werden, bestimmen sie doch Geschwindigkeit und Textur der Stadt. Autohupen und aufstöhnende Motoren, Generatoren und Maschinenlärm, gigantische Lautsprecher, die die Stadt mit Musik überziehen, das Jammern und Schreien von Straßenhändler_innen, Babys, Passant_innen und Busschaffner_innen – das ist die akustische Mixtur, die Ogboh zu Stücken wie Lagos-Oshodi (2011) und Lagos State of Mind (2012) inspiriert.

Auch in The Song of the Germans (2015) greift Ogboh auf Klänge zurück, um uns mit Anrechten und Nationalismus, Xenophobie und Rassismus zu konfrontieren. Gelten „Einigkeit und Recht und Freiheit“, wie A. H. Hoffmann von Fallersleben im „Lied der Deutschen“ von 1841 dichtet, für alle oder doch nurfür einige wenige? Gerade jetzt stellt sich diese Frage, in einem Deutschland, wo jeder fünfte Bürger migrantische Wurzeln hat, in einer Zeit, die von Asylsuche und einem radikalen Rechtsruck geprägt ist und Organisationen wie die NSU und Pegida hervorbringt. Ogbohs Aneignung der deutschen Nationalhymne – übersetzt in zehn verschiedene afrikanische Sprachen, dargeboten von den Mitgliedern eines in Berlin ansässigen, afrikanischen Gospelchors in ihrer jeweiligen Muttersprache – macht eine simple Lesart von Ideen wie Vaterland, Staatsbürgerschaft und Nationalität unmöglich.

Emeka Ogboh untersucht, wie persönliche, öffentliche und kollektive Erinnerungen und Historiografien in Klänge und Klanglandschaften überführt, verwandelt, transkribiert und eingeschrieben werden. So durchstöbert er etwa Archive nach Informationen zu diversen Finanzkrisen von 1929 bis heute. In The Way Earthly Things Are Going (2017) schafft Ogboh im Dialog mit einem traditionellen vielstimmigen Chor eine klangliche Überlegung zu den multiplen Effekten und Manifestationen von Krisenzuständen. Die verzaubernde Klanginstallation beschäftigt sich mit der (Un-)Möglichkeit der Existenz in einer Sackgasse. Sie erzählt von Fernweh und Sehnsucht, von Schmerz und Überlebenswillen, und sie enthält Kommentare zu und Eindrücke von einer Wirtschaftskrise, die uns heimgesucht hat und noch immer schwere Schäden anrichtet. Er befragt in Deutschland lebende Afrikaner_innen zu ihren Geschmackserlebnissen, um daraus eine akustische Landkarte zu erstellen. Aus diesen gustatorischen Erfahrungen kreiert er das Rezept für das dunkle Sufferhead original (2016). Der Name spielt auf Fela Kutis politische Hymne an, die Ogboh zum Anlass nimmt, um einen Diskurs über den politischen Umgang mit Ethnie, unterschiedliche Vorstellungen von Nation und Prozesse der Migration anzustoßen.

— Bonaventure Soh Bejeng Ndikung

Gepostet in Öffentliche Ausstellung
Auszug aus dem documenta 14: Daybook
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