Costas Tsoclis

Costas Tsoclis, Portraits, 1986, fünf Videos, Farbe, ohne Ton, projiziert auf 5 Malereien (Acryl auf Stoff), und Harpooned Fish, 1985–2000, Video, Farbe, ohne Ton, projiziert auf Acryl auf Stoff und Metall, Sammlung Nationales Museum für Zeitgenössische Kunst, Athen (EMST), Installationsansicht, ANTIDORON. Die Sammlung des EMST, Fridericianum, Kassel, Foto: Nils Klinger

Das Werk Harpooned Fish wurde 1986 während der Biennale in Venedig im griechischen Pavillon ausgestellt. Die Darstellung des leidenden Fisches, eines lebendigen Wesens, provozierte unter einigen Tierschützer_innen eine starke Reaktion: Sie waren der Ansicht, dass das Werk eine Verletzung von Tierrechten darstelle und verlangten die Einmischung der Justiz, um das Werk zu entfernen. Die zuständige Richterin Dr. Manuela Romei Pazetti rehabilitierte den Künstler auf beeindruckende Weise und bereicherte nebenbei die Kunstgeschichte mit einem wichtigen, unerwartet kritischen Text:

„… In dem schummrig beleuchteten Raum sieht die Besucher_in fünf große menschliche Gestalten, als wären sie lebende Portraits, eine neben der anderen, zwischen ihnen eine kleine dunkle Lücke. Neben ihnen das Bild des aufgespießten Fisches.

Der eiserne Speer, ein Körper, der fremd wirkt gegen das Hintergrundgemälde und in der Leinwand steckt, entführt den Betrachter in das Reich der Realität, während die großen, gemalten, schattenhaften Spuren dank der Videoprojektion mit Details und nicht greifbaren Bewegungen erfüllt sind und alle möglichen Gedanken hervorrufen.

Die Gestalten haben sich umgewandt, um den Fisch zu betrachten, der aufgespießt immer noch zappelt und den Betrachter_innen so ein lebendiges Spektakel des Todes (der tatsächlich nicht eintritt) offenbart.

Was auch immer der Künstler (Tsoclis, der einzige Vertreter Griechenlands auf der 42. Biennale in Venedig, deren Thema “Kunst und Wissenschaft” war) sich gedacht haben mag, er hat jedes Bild getrennt voneinander realisiert und präsentiert, so dass die Bertrachter_innen unstrittig das Bild eines Ganzen mitnehmen. Die Figuren bewegen sich in einem uniformen, abgeschlossenen Raum, einem Raum, der durch die Dunkelheit vereinheitlicht wird, die ihn dominiert. Und wer immer auch die minimalen Bewegungen der Portraits mit dem Zappeln des Fisches in Verbindung setzt, könnte sie als die Gleichgültigkeit von Menschen gegenüber dem Leiden des Fisches ansehen. Es ist daher die Menschheit, die mit ihrer tagtäglichen Gleichgültigkeit Horror verbreiten kann, denn der gleiche leidende Fisch wird am Marktstand unbestritten als frisch (also frisch getötet) angesehen, ob er nun mit dem Speer getötet oder in einem Netz gefangen wurde.

Oder sind diese nahezu unbeweglichen Figuren, bei denen die winzigste Bewegung die hieratische Schwere nur noch unterstreicht, die Konkretisierung des Grades an Schmerzen, anthropomorphe mythische Gottheiten? Mit nur einem Blick könnten sie dem Fisch helfen, ihn befreien und zusammen mit ihm die gesamte grausame Menschheit. Es ist auf jeden Fall zu beachten, dass der Fisch nicht tot ist. Ein Eingreifen ist jederzeit in der Phantasie der Betrachter_innen möglich, die unschlüssig zwischen Mythos und Realität schwankt.

Es existiert daher kein Gräuel, auch wurde kein Tier für unmoralische Zwecke benutzt, noch gibt es Grausamkeit zum Zweck der Unterhaltung …“

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