Zef Shoshi

Zef Shoshi, Tornitorja (The Turner), 1969, Öl auf Leinwand, Sammlung Nationale Kunstgalerie, Tirana, Installationsansicht, EMST – Nationales Museum für Zeitgenössische Kunst, Athen, documenta 14, Foto: Mathias Völzke

Zef Shoshi (geboren 1939 in Tirana) ist einer der bekanntesten Porträtmaler des albanischen Sozialistischen Realismus. Er studierte Malerei am Ilja-Repin-Institut in St. Petersburg und brachte von dort eine starke „klassizistische“ Prägung mit, die für sein gesamtes Werk stilbildend war. Shoshis bedeutendes Porträt des albanischen kommunistischen Diktators Enver Hoxha aus den 1970er Jahren war neben Odhise Paskalis Büste des Politikers aus der selben Zeit ein Schlüsselwerk der Ikonografie dieser Ära. Sein Bild wurde in den meisten Schulbüchern abgedruckt, die Büste zierte jedes Haus im Land.

Shoshi liebte es auch, das Landleben zu malen, und er mochte dekoratives Kunsthandwerk und Trachten. Verglichen mit seinen Darstellungen historischer Sujets und seinen durchkomponierten Tableaus ist das Besondere an seiner Porträtmalerei, dass er nicht anders konnte, als eine fast schon persönliche Beziehung zu seinen Modellen herzustellen, und dadurch ihr Innenleben zum Vorschein zu bringen. Sein Bild The Turner (Die Dreherin) von 1969 ist ein gutes Beispiel dafür. Zu dieser Zeit konzentrierte sich die Parteiführung auf die Industrialisierung des Landes. Durch mehrere Kampagnen zog sich der Fokus auf Albaniens Jugend als Motor dieses Wandels: zuvor schon in Gestalt der Massen junger „Freiwilliger“, die in unbezahlter Arbeit am Aufbau der Infrastruktur in Stadt und Land mitwirkten; und ab 1967, als die Religion aus dem öffentlichen und privaten Leben verbannt und somit ausgelöscht werden sollte, begleitet von der offiziellen Verkündung Albaniens als einziges atheistisches Land der Welt. Ideologisch mussten beide Kampagnen als Volksbewegungen dargestellt werden. Sie gingen angeblich von der albanischen Jugend aus, waren „notwendig zur Modernisierung des Landes“ und entsprachen der Forderung, „den von der Religion vertretenen Obskurantismus zu bekämpfen“. Mit den Sechzigerjahren kamen auch die Fabriken und Fertigungsmethoden, die mehr Fachkräfte und damit eine Akzentverschiebung auch der Propaganda erforderten. Wie bei früheren Kampagnen wurden auch in diesem Fall Künstler_innen und Schriftsteller_innen mobilisiert, um Szenen aus dem Fabrikleben und große Baustellen überall im Land sowie die Vitalität der albanischen Jugend darzustellen.

Shoshis Malerei entspricht allen Anforderungen dieses Kontexts. Klassische Darstellungen der Mutterschaft wurden als konstitutiv für die zentrale Rolle der Frauen in der religiösen Kunst aus dem neuen Kanon gewissenhaft entfernt. Shoshi malte eine junge Fabrikarbeiterin an ihrem Arbeitsplatz. Seiner realistischen Ausbildung entsprechend, zeigt er die Maschinen bis ins kleinste Detail, hält sich an eine klare perspektivische Darstellung und rückt die Figur mit ihrer makellosen Arbeiterinnenuniform in den Bildmittelpunkt. Zugleich vermittelt ihr Bildnis eine gewisse Verletzbarkeit, die nicht zum Neuen Menschen des albanischen Sozialismus passt. Obwohl sie nicht vor ihrer Aufgabe zurückschreckt, verrät ihr Gesicht eine zerbrechliche jugendliche Unschuld. Wenn andere Arbeiterbildnisse die Betrachter_innen mit dem festen Blick der Dargestellten fesseln sollten, so beruht die Wirkung der Dreherin im Gegenteil auf ihrem sanften Blick und einer angedeuteten Unsicherheit bei gleichzeitig entschlossener Körperhaltung. Sie ist real; sie ist menschlich. Genau deshalb wollte KP-Führer Enver Hoxha wahrscheinlich, dass Shoshi sein Bildnis malte. Auch er wollte vielleicht diese besondere menschlich/göttliche Essenz durchscheinen lassen, die nur göttlichen Wesen vorbehalten ist.

—Edi Muka

Gepostet in Öffentliche Ausstellung