Nathan Pohio

Nathan Pohio, In a Dream of 200,000,000 Horses (What Horses Teach Us. Willow Creek Press calendar 2016) (2016), Keramikpigment auf Vinyl, 82 × 318,5 × 4 cm

Nathan Pohio, Raise the anchor, unfurl the sails, set course to the centre of an ever setting sun!, 2017, keramische Tinte auf PVC, Installationsansicht, EMST – Nationales Museum für Zeitgenössische Kunst, Athen, documenta 14, Foto: Mathias Völzke

Nathan Pohio, Raise the anchor, unfurl the sails, set course to the centre of an ever setting sun!, 2015, verschiedene Materialien, Installationsansicht, Weinberg-Terrassen, Kassel, documenta 14, Foto: Liz Eve

Es gibt eine Māori-Tradition, der zufolge Objekte und Körper bereit sind, durch eine Auffaltung von Zeit und Raum zu reisen. Bewegung wird dabei nicht als Fortbewegung zwischen Ausgangs- und Zielpunkt gesehen, vielmehr wird der Bestimmungsort zum Reisenden gebracht. Für die Māori ist die Beziehung zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft weder teleologisch noch linear: Die Gegenwart ist von den Ereignissen vor unserer Zeit geprägt, während die Zukunft als Fortsetzung der Gegenwart verstanden wird. Wandel und nicht lineare Zeitvorstellungen sind – ebenso wie das Zusammenfallen von Abreise, Zielort und Ankunft – die zeitlichen und räumlichen Markierungen für Nathan Pohios reisendes Objekt, die Fotoinstallation Raise the anchor, unfurl the sails, set course to the centre of an ever setting sun!, zu sehen in Athen und Kassel.

Pohio wurde 1970 als Mitglied der auf der Südinsel von Aotearoa/Neuseeland beheimateten Stämme Waitaha, Kāti Mamoe und Ngāi Tahu geboren. Seine aktuelle Arbeit greift auf zwei Fotografien aus dem Jahr 1905 zurück, die den britischen Generalgouverneur und seine Frau, Lord und Lady Plunket, bei einem Besuch in Tuahiwi zeigen. Auf dem ersten Bild sehen wir die Stammesführer der Ngāi Tahu hoch zu Ross und in voller Festkleidung – ein Verweis auf pōwhiri, die traditionelle, formelle Begrüßungszeremonie der Ngāi Tūāhuriri –, während die Repräsentanten der britischen Krone in ihrem Automobil sitzen. Die zweite, weniger bekannte Aufnahme entstand wenige Sekunden davor. Sie zeigt die Versammlung auf ihrem Weg zum marae (Versammlungsort), wo das Begrüßungsritual beginnt – ein Akt der Vorbereitung auf die Kamera, ein Bild des Übergangs und Werdens.

Die Fotografien stammen aus einer Zeit, als die Ngāi Tūāhuriri in einem Rechtsstreit mit dem britischen Empire lagen, in dem es um Landeigentum ging. Sie zeugen von der kolonialen Vergangenheit Neuseelands und dem Kampf um das Land vor und nach dem Vertrag von Waitangi, der die maorische Politik bis heute bestimmt. Im Zentrum von Pohios Installation stehen Bilder, die die Gastfreundschaft und Begrüßungsrituale der Māori zum Ausdruck bringen. Fremde, die Māori-Territorium betreten möchten, werden durch die Zeremonie des pōwhiri in das Land eingeführt, die einen Weg zu gegenseitigem Respekt eröffnen soll.

Pohio versetzt diese Aufnahmen nach Athen und Kassel – Städte, die dem abgebildeten Land und seinen Menschen fremd sind – und deutet damit eine Bewegung von einem Ort zum anderen an, von einer Zeitperiode in eine andere. Seine Installationen fungieren nicht nur als eine Art Eintrittspforte, indem sie die Menschen mit einer Geste der Gastfreundschaft willkommen heißen – das Werk tritt auch in Beziehung zu unterschiedlichen Räumen und den damit verbundenen Ausdrucksformen der Zeit.

— Hendrik Folkerts

Gepostet in Öffentliche Ausstellung
Auszug aus dem documenta 14: Daybook
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