Khvay Samnang

Elefant, Chi Pat, Provinz Koh Kong, Kambodscha, Recherchefoto, 10. August 2016, 8:55 Uhr, courtesy Khvay Samnang und SA SA BASSAC, Phnom Penh

Khvay Samnang, Preah Kunlong (Der Weg des Geistes), 2017, elf Masken aus gewobenen Ranken, Installationsansicht, EMST – Nationales Museum für Zeitgenössische Kunst, Athen, documenta 14, Foto: Mathias Völzke

Khvay Samnang, Preah Kunlong, 2017, Dreikanal-Videoinstallation, Installationsansicht, Naturkundemuseum im Ottoneum, Kassel, documenta 14, Foto: Roman März

Das Verfahren der Kartografie ist untrennbar mit der Geschichte von Militarismus und Kolonialismus verknüpft. Diese setzt das Kartografieren von Land unweigerlich mit dessen Besitz gleich, das Einzeichnen von Grenzlinien mit dem Festlegen von Machtverhältnissen. Das alternative Konzept des Counter-Mapping geht auf die politische Ökologin Nancy Lee Peluso zurück und ist eine Methode der kritischen Kartografie, die den Anspruch von indigenen Völkern auf ihr Land und dessen Ressourcen – insbesondere in Südostasien – unterstützt, indem sie sich hegemonialen Instrumenten der Kartenerstellung verweigert.

Der politische Umgang mit Land und Ressourcen im Zusammenhang mit indigenen Völkern und die Entwicklungen, die diese Gemeinschaften bedrohen, stehen im Mittelpunkt von Khvay Samnangs Projekt für die documenta 14. Der Künstler, der 1982 in der kambodschanischen Provinz Svay Rieng geboren wurde und heute in Phnom Penh arbeitet, ist dem Volk der Chong eng verbunden, das in der südwestlichen Provinz Koh Kong, vor allem im Areng-Tal, lebt. Dieses gilt als Kambodschas letztes großes Waldgebiet und größter noch verbliebener Regenwaldbestand in Südostasien, reich an natürlichen Ressourcen und seltenen Tier- und Pflanzenarten. Das Tal selbst ist durch geopolitische Ungleichheiten, drohende Umweltzerstörung durch den Bau eines Staudamms (Cheay-Areng-Damm) und die daraus resultierende Umgestaltung oder gar komplette Auslöschung indigener Lebensformen gekennzeichnet.

Khvay baute eine dauerhafte Beziehung zu den Chong auf, indem er immer wieder in ihren Gemeinschaften lebte, insgesamt für den Zeitraum eines Jahres. Durch teilnehmende Beobachtung lernte er die Art verstehen, wie die Chong ihr Land kartografieren: als ein auf elementarer Verkörperung beruhendes System, das auf Geschichten von Ahnen und mündlichen Erzählungen gründet. Der spirituelle Raum des Areng-Tales wird durch die Personifizierung dieser Geschichten bestimmt und mittels Körper dargestellt. Karten westlicher oder kolonialer Prägung sind ohne Bedeutung, da die Weitergabe von Wissen anhand von Sprache und Körper erfolgt, was auf spirituelle Ökologie und Kollektivität verweist.

Diese Forschungen sind Teil eines kollektiven Widerstands gegen die Bedrohungen, denen die Chong und ihr Land ausgesetzt sind. Ein zentraler Aspekt ist Khvays Lernen von und mit den Chong-Gemeinschaften durch das Herstellen von Objekten, in denen sich spirituelle Vorstellungen, politische Anliegen und das alltägliche Leben widerspiegeln. Der Künstler und sein langjähriger Mitarbeiter, der Choreograf und Tänzer Nget Rady, haben die zum Ausdruck gebrachten Beziehungen der Chong zu bestimmten Tieren, Gewässern und Landstrichen als Form des Counter-Mapping integriert. Gezeigt wird dies in den Video- und Live-Installationen, die ebenfalls Teil der documenta Präsentation sind. Die Übertragung von Körper zu Körper zieht sich durch das gesamte Projekt: In diesem System der Ansammlung und Weitergabe von Wissen liegt die inhärente Verbindung der Chong zu ihrem Land – und auch ihre wirksamste Form des Widerstands.

— Hendrik Folkerts

Gepostet in Öffentliche Ausstellung
Auszug aus dem documenta 14: Daybook
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mit Khvay Samnang, Nget Rady, Erin Gleeson und Hendrik Folkerts

Eine Diskussion über den menschlichen Körper als Möglichkeit, Land als physisches und spirituelles Territorium zu navigieren und zu kartieren.

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