Vlassis Caniaris

Vlassis Caniaris, Hopscotch, 1974, Installation mit 6 menschlichen Gestalten, 9 Koffern, Vogelkäfig aus Metall und Kreide auf Teerpappe, Sammlung Nationales Museum für Zeitgenössische Kunst, Athen (EMST), Installationsansicht, ANTIDORON. Die Sammlung des EMST, Fridericianum, Kassel, Foto: Mathias Völzke

 

„Mein Ziel war es — unter Verwendung von wissenschaftlichem Faktenmaterial — die Probleme, die Bedingungen, die Gründe und auch die Perspektiven dieser speziellen Welt zu untersuchen, die, aufgrund ihrer hohen Bevölkerungsdichte, einem abgesonderten europäischen Land glich. Mein verbindender Faden bestand darin, mit einer Gruppe von Menschen zu arbeiten: zuerst in ihrem Heimatland und dann, nach einer längeren Zeitdauer, in dem neuen Land, in das sie gegangen waren um dort zu arbeiten; dabei sollte alles abgedeckt werden, was mit einer solchen Themenstellung einhergeht: Wirklichkeiten, Träume, Situationen und mögliche Ausblicke.“
—Vlassis Caniaris, Memorandum, Athen 1975

Coexistence und Hopscotch (beide 1974) von Vlassis Caniaris, eines der berühmtesten Protagonisten der griechischen Nachkriegskunst, entstanden als Teil der Serie Immigrant (1971–76), einem Werkkomplex, der ursprünglich in Paris entwickelt worden war, später im Zuge eines DAAD-Stipendiums (1973–75) in Berlin fortgesetzt wurde und anschließend in einer Wanderausstellung mit dem Titel Gastarbeiter—Fremdarbeiter in zahlreichen deutschen Institutionen in den Jahren zwischen 1975 und 1976 gezeigt wurde. Nachdem Caniaris die späten 1950er Jahre in Rom und Paris verbracht hatte, kehrte er 1967, nach dem Sturz des Obristen-Regimes, nach Griechenland zurück, um es nur zwei Jahre später wieder zu verlassen.

Hopscotch ist ein Environment, das von kopflosen Attrappen bevölkert ist, die um ein Hüpfspiel herumstehen. Anstelle von mit Kreide geschrieben Zahlen weist dieses Worte auf, die auf Zustände und Mechanismen einer Arbeitsmarktpolitik für Immigrant_innen anspielen. Caniaris konzentriert sich auf verschiedene Geschichten, Stimmen, Gesten und gewöhnliche Objekte, die mit den Arbeits- und Lebensbedingungen der „Gastarbeiter“ – jener Gruppe migrantischer Arbeiter_innen also, die aufgrund von zwischenstaatlichen Übereinkünften seit den späten 1950er Jahren durch das westliche Europa wanderte – und reflektiert so über die unsichere Wirklichkeit territorialer Verdrängung, gesellschaftlichen Ausschluss, nationale Identität und verweigerte Bürgerrechte.

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Die Arbeiten aus der Reihe Hommage to the Walls of Athens 1941–19… spiegeln Vlassis Caniaris Ziel wieder, „das Bild sowie auch das Gefühl/den Eindruck der Mauern des besetzten Athens neu erstehen zu lassen“. Indem er Fragmente aus dem öffentlichen Diskurs über Widerstand, Befreiungskampf und politische Agitation aufnimmt, bringt Caniaris durch sukzessive gestische Bearbeitung dicker Materialschichten aus Gips, Papier und Stoff, Aufschriften an Athener Wänden in die Oberfläche der Leinwand ein. Der Buchstabe E, der in der Arbeit hervortritt, steht für EAM, Abkürzung für die Nationale Befreiungsfront Griechenlands, die die bedeutendste Widerstandsgruppe gegen die Achsenmächte darstellte, sowie für EPON (Vereinigte Panhellenische Jugendorganisation) und ELAS (Volksbefreiungsarmee).

Gepostet in Öffentliche Ausstellung