Andreas Ragnar Kassapis

Andreas Ragnar Kassapis, Object 32 (2016), Öl auf Holzplatte, 40 × 50 × 5 cm

Andreas Ragnar Kassapis, Things That Bend, 2017, Installationsansicht, Athener Konservatorium (Odeion), documenta 14, Foto: Mathias Völzke

Andreas Ragnar Kassapis, Things That Bend, 2017, Installationsansicht, Neue Neue Galerie (Neue Hauptpost), Kassel, documenta 14, Foto: Mathias Völzke

Ein Junge blies seine Backen auf, bis sie fast platzten.
Was meinst du?, fragte der alte Mann. Er drückte sein Gesicht in das Haar
des vor ihm Stehenden, bis alles um ihn herum versank.
Jahre später würde er sich an den roten Radiator in der Ecke erinnern
fast immer eiskalt
und als er ihn malte, an einem Mittwochnachmittag
erreichte er, was er wollte
sein Kopf war schwer, er fühlte sich verloren
als hätte er etwas berührt, das gar nicht da war
wobei ihn etwas anderes quälte, nichts hatte sich verändert
und er dachte an seine Kindheit
daran, wie er sich an einem Glas festgehalten hatte aus Angst, vom Stuhl zu fallen
die beunruhigende Präsenz alltäglicher Dinge
hatte begonnen, sich bemerkbar zu machen.
Und dann, in der Zeit seiner Jugend
als die Menschenschlange aus dem Gebäude ragte
wie der Schwanz eines Tieres
sah er den Jungen auf dem Foto
und dachte, dass er ihn eines Tages treffen würde.
Jahrelang war er sicher, ihn verraten zu haben
ihn an einem fernen Ort aufs Kreuz gelegt zu haben
im überall weißen Tokio
doch noch immer war er bedrückt und schlechter Laune
neben den vielen Dingen, die er aus dem Müll zog
neben dem schimmligen Regenrohr
wenn sie austrockneten, würden sie sterben.
Er löschte sie aus, befleckte sie, doch der Junge ließ sich nicht unterkriegen.
Der Junge lässt sich nicht unterkriegen, murmelte er und beruhigte sich.
Zigarette gefällig?, fragte ihn eines Tages ein Mann auf einem Moped.
Er antwortete nicht und die Zeit verging.
Er erhielt oft Drohungen am Telefon
Drohungen von Bildern, die zu noch größeren Bildern gehörten
und er hatte Angst, das Sehen verlernt zu haben.
Ich kann nicht sehen, pflegte er zu sagen.
Er ging und holte Holz
und richtete es rund um sich herum auf, einem Harnisch gleich
auch wenn ein Schlag genügte, ihn zu durchbrechen
und dann hüllte er es in eine dicke Paste.
Wie oft habe ich sie alle verraten?, dachte er.
Er ließ seinen Körper weitergehen und der alte Mann
fragte ihn erneut: Was meinst du?
Warum tust du es?
Fragen, die niemals eine Antwort finden
sie sind so gemacht, wie Mechanismen
die keine Antworten suchen, sie verabscheuen Antworten
Als er die Stadt erreichte, sah er die Krähen
von Baum zu Baum fliegen
die Äste kahl
er schlürfte seine Suppe in einem Restaurant
und als er auf die Straße trat
traf er auf einen Jungen, der fragte: Hast du eine Zigarette?
Ich rauche nicht, erwiderte er.
Sie hatten sich getroffen, endlich
und dennoch hatte sich der Junge nicht angepasst.

Andreas Ragnar Kassapis wurde 1981 in Athen geboren.

— Constantinos Hadzinikolaou

Gepostet in Öffentliche Ausstellung
Auszug aus dem documenta 14: Daybook