Nomin Bold

Nomin Bold, Labyrinth game (2013), Gouache, Blattgold auf Baumwolle, 160 × 102 cm, courtesy Nomin Bold und Queensland Art Gallery und Gallery of Modern Art, Brisbane

Nomin Bold, Green Palace, 2017, Acryl auf Leinwand, Naturkundemuseum im Ottoneum, Kassel, documenta 14, Foto: Roman März

Nomin Bold gehört zu einer neuen Generation von Künstler_innen, die sich dem Mongol Zurag (wörtlich „mongolisches Bild“) widmet und ihre Ausbildung nach 1990 erhielt, als sich die Mongolei für Demokratie und Marktwirtschaft öffnete und die Einschränkungen der Traditionen des Landes durch das sozialistische System beendet waren. Nomin, geboren 1982, absolvierte die Mongol-Zurag-Klasse am neu eröffneten Fachbereich für „Nationale Kunst“ der einzigen öffentlichen, staatlich geführten Hochschule für bildende Kunst in Ulan-Bator. Sie und ihre Kommiliton_innen begannen gemeinsam mit ihren Lehrer_innen, die Rolle der mongolischen Tradition neu zu denken und zu gestalten für eine globalisierte Welt, in der die Mongolei ihren individuellen Platz sucht.

Das Konzept des Mongol Zurag wurde in der Blütezeit des sozialistischen Regimes im 20. Jahrhundert vom mongolischen Kunsthistoriker Nyam-Osoryn Tsultem (1923–2001) entwickelt. Es könnte – im Sinne des britischen Historikers Eric Hobsbawm – als eine „Erfindung der Tradition“ bezeichnet werden, als eine Strategie zur Bewahrung der kulturellen Identität der Mongol_innen angesichts des Sozialistischen Realismus, der, unterstützt von sowjetischen Hochschullehrer_innen, ins Land strömte. Während der sozialistischen Periode (1921–1990) fungierten die UdSSR und Osteuropa als Fenster der Mongolei zur Welt und als einzige Kanäle, durch die europäische Formen der Kunst – etwa Ölmalerei auf Leinwand – das Land erreichten, wo sie die buddhistischen Kunsttraditionen in kurzer Zeit ablösten.

Nomins Arbeiten zeichnen sich durch zarte und zugleich kraftvolle Farben aus, durch minutiöse Zeichnungen und geheimnisvolle Motive. Die Wahl einsamer Frauengestalten als einziges kompositorisches Element in vielen ihrer Werke spricht einerseits für ihr Interesse daran, Frauen als Hauptakteurinnen in unterschiedlichen Umgebungen zu platzieren. Gleichzeitig eröffnen die (in der Mongolei lange verpönten) nationalen Trachten und modernen Kleider ihrer Figuren einen Einblick in das Verhältnis zwischen Moderne und Tradition, das die Künstlerin zu verstehen sucht und individuellen Interpretationen zugänglich macht.

Die buddhistische Symbolik in Nomins Kunst sind Motive und Zeichen vergangener Traditionen, die in die zeitgenössische Welt übermäßiger Kommodifizierung versetzt werden. Zwar weiß die Künstlerin um die inhärenten buddhistischen Bedeutungen, die sie selektiv in ihre Arbeiten einfließen lässt. Doch es ist die Auseinandersetzung mit dem Wesen der Tradition an sich und ihren potenziellen Gegenüberstellungen, Überlagerungen und Ausprägungen in der modernen Welt, die ihre außergewöhnlichen Kompositionen begründet und inspiriert. Diese Fragestellungen und Einflüsse verleihen den Werken von Nomin Bold eine Aura des Mysteriösen, die unsere Wissbegierde und beharrliche Aufmerksamkeit einfordert.

— Uranchimeg Tsultemin

Gepostet in Öffentliche Ausstellung
Auszug aus dem documenta 14: Daybook