Keimena #3: Oncle Bernard—L’anti-leçon d’économie
von Richard Brouillette

Montag, 2. Januar 2017, 24.00 Uhr auf ERT2
Oncle Bernard–L’anti-leçon d’économie​, 2015, Kanada/Spanien, 79 Min.
Regie: Richard Brouillette

Richard Brouillette stellt in seinem Film Oncle Bernard – A Counter-Lesson in Economics Bernard Maris vor. Maris verfasste unter dem Pseudonym Oncle Bernard seine Kolumne für das Magazin „Charlie Hebdo“ und verfolgte dabei die Absicht, die professionellen Macher der Wirtschaft zu demaskieren – all jene, die uns tagtäglich, egal, wo wir uns aufhalten, mit demselben Müll abfüllen, verpackt in die Leerformeln einer Pseudowissenschaft, die die Mechanismen der Macht verbergen sollen, die uns versklaven.

Der Terrorismus, der an einem finsteren Tag im Januar 2015 über die Zeitschrift hereinbrach und ihm den Tod brachte, war ein anderer als der, den er unermüdlich auf den Seiten von „Charlie Hebdo“, in seinen Büchern oder im Radio anprangerte; denn Letzterer ist ein Terrorismus der Worte, der uns alle quält. Ein Terrorismus, der von denjenigen ausgeübt wird, die an der Macht sind, „die wissen, wovon sie sprechen“, und mit totaler Verachtung diejenigen mundtot machen, die es wagen, anders zu denken, oder sich die Freiheit herausnehmen, Fragen zu stellen. Maris kämpfte dafür, diese Betrüger zu brandmarken und seine Leser_innen intellektuell gegen ihre Lügen zu wappnen – er wollte ihnen einen Blick in den neoliberalen Spiegel ermöglichen.

Die Bilder, die Sie zu sehen bekommen werden, wurden am 8. März 2000 in den Redaktionsräumen von „Charlie Hebdo“ auf 16-mm-Film aufgenommen, unmittelbar im Anschluss an das wöchentliche Redaktionstreffen, bei dem die Mehrzahl der Mitarbeiter_innen der Zeitschrift zusammenkommt. Und gerade an einem solchen wöchentlichen Mittwochstreffen sollten Oncle Bernard und seine Kollegen später auch ermordet werden. Die Umstände seines Todes haben das spezielle Format des Films bestimmt, der zum großen Teil ungeschnitten blieb. Bernard Maris ganz als ihn selbst zu zeigen, mit all seiner Kraft und Verletzlichkeit, mitten im oft auch lauten Alltag von „Charlie“, ermöglicht es, einer brillanten Gestalt, die so viele Jahre lang ihre Leser_innen zum Lachen gebracht und zugleich aufgeklärt hat, die Referenz zu erweisen.

—Richard Brouillette, Filmproduzent und -regisseur, Cutter und Programmkurator

Gepostet in Öffentliches Fernsehen am 02.01.2017