Keimena #31: Passing Drama
von Angela Melitopoulos

Montag, 17. Juli 2017, 24.00 Uhr auf ERT2
Passing Drama, 1999, Deutschland, 66 Min.
Regie: Angela Melitopoulos

Passing Drama von Angela Melitopoulos kreist um die Vertreibung und Umsiedlung großer Bevölkerungsteile, die nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches stattfand.

Der Titel des Films spielt dabei mit der Doppelbedeutung des Wortes „Drama“. Zugleich wird auf Tragödie und Aufruhr angespielt, aber auch auf den Namen der Stadt, in der sich die Großeltern von Melitopoulos nach dem Vertrag von Lausanne im Jahr 1923 niederließen. Dieser Friedensvertrag segnete die Massenvertreibung der griechischen Minderheit aus Kleinasien ab.

Weit mehr als Videoessay denn als herkömmlicher Dokumentarfilm angelegt, stellt Passing Drama die traumatischen Zeugnisse der Vertriebenen den Bildern eines Fadens, der an einem mechanischen Webstuhl hergestellt wird, gegenüber, dem rotierenden Trommeln einer Druckmaschine oder dem Transportband eines Backofens. Die Maschine steht hier emblematisch für den Fortschritt, für einen Strudel, der Menschenleben verschlingt. Jedes Industrieprodukt enthält eine annullierte Welt: Der wirtschaftliche Reichtum der Metropolen basiert auf der Ausbeutung der fragilen, an den Rand gedrängten Körper.

Einer der Interviewten ist der Vater der Künstlerin, der vor der bulgarischen Besetzung Griechenlands floh, gleich darauf ohne gültige Papiere aufgegriffen und in ein österreichisches Arbeitslager verschickt wurde. Was ihm alles wiederfahren ist, will er nicht erzählen. Und wenn der Zeuge nach Worten ringt, sobald er von den Massenmorden und der Zwangsarbeit erzählen soll, dann dünnen sich die Bilder des Films zu weißem Rauschen aus oder weichen in die Abstraktion zurück. Sie bringen ein Vor und Zurück zwischen Erinnerung und Vergessen zur Darstellung, weshalb Passing Drama an der Schnittstelle von Kino als einem Ort der Erinnerung und Film als physischem Medium steht. Die Materialität des aufgewickelten Filmstreifens überschreibt letzten Endes alle Narrative.

—Ana Teixeira Pinto, Autorin, Kulturtheoretikerin und Lehrbeauftragte

Gepostet in Öffentliches Fernsehen am 17.07.2017