Keimena #12: Krisis
von Dimitri Venkov

Montag, 6. März 2017, 24.00 Uhr auf ERT2
Krisis, 2016, Russland, 32 Min.
Regie: Dimitri Venkov

Dimitri Venkovs Film Krisis basiert auf einer Diskussion auf Facebook vom 8. Dezember 2013. Das war der Tag des „Leninopad“, an dem zahlreiche Lenin-Denkmäler in der Ukraine demontiert und gestürzt wurden. Das erste Denkmal, das man in Kiew abbrach, hatte der sowjetische Bildhauer Sergej Merkurow geschaffen; aufgestellt wurde es 1946, als Stalin immer noch an der Macht war. Die ukrainische ultra-nationalistische Partei Svoboda (Freiheit) übernahm für diesen Akt die Verantwortung.

Demoliert wurde das Denkmal während des Euromaidan, also während der allgemeinen Proteste gegen das Regime von Präsident Viktor Janukowitsch. Dieser hatte sich gegen eine Annäherung an die EU ausgesprochen und setzte auf Wladimir Putin, womit er die Abhängigkeit seines Landes von der Russischen Föderation beibehalten wollte. Die Polizei, die sich zu Janukowitsch loyal verhielt, versuchte die Demonstrationen des Euromaidan – die von liberalen, rechtsgerichteten und linken Gruppierungen organisiert wurden – einige Male aufzulösen. Kurz vor der Zerstörung des Denkmals jedoch unternahmen Ultrarechte den Versuch, linke Aktivist_innen aufgrund ihrer angeblichen Sympathien für die Kommunisten vom Euromaidan zu vertreiben.

Der Euromaidan führte zu einem Regimewechsel in der Ukraine. Janukowitsch floh nach Russland, und Parlaments- und Präsidentenwahlen wurden abgehalten. Die Ukraine hat nun ein „Dekommunisierungs“-Gesetz, das eine Politik der Demontage aller Symbole aus der Sowjetzeit verfolgt. Die Wirtschaft des Landes befindet sich in schlechtem Zustand.

Venkov betrachtet die Rolle des Unlösbaren und Unerklärlichen für die Politik anhand von Aspekten, an denen sich Kontroversen, Streit und Misstrauen entzünden, die aber undurchsichtig bleiben. Die ganze Komplexität im Zusammenhang mit dem Abbruch der Lenin-Denkmäler manifestiert sich in zwei Meditationen über die Ereignisse, an zwei Leerstellen. Die erste Leerstelle liegt zwischen den Vorgängen in Kiew und den Postings von Personen auf Facebook, zumeist von russischen Staatsbürgern, die nicht in der Ukraine lebten. Die zweite taucht auf zwischen der Diskussion auf Facebook und ihrer In-Szene-Setzung auf dem Bildschirm, die an ein klassisches Drama gemahnt. Zwischen diesen Leerstellen entfaltet sich der Film wie ein endloses Gerichtssaaldrama, bei dem keine Chance auf ein einstimmiges Urteil besteht.

—Gleb Napreenko, Kunstkritiker und Kunsthistoriker

Gepostet in Öffentliches Fernsehen am 06.03.2017