34 Freiheitsübungen, Erweitertes Programm, 14.–24. September 2016

34 Freiheitsübungen
14.–24. September 2016 im Parko Eleftherias
Städtisches Kunstzentrum Athen

Wir laden Sie ein, im September 2016 Teil des „Parlaments der Körper“ zu werden, einer öffentlichen Veranstaltung der documenta 14 im Städtischen Kunstzentrum Athen im Parko Eleftherias. Was in dieser Zeit hier stattfindet, ist weder eine Konferenz, noch eine Ausstellung.

Wir vermeiden gewohnte museologische Bezeichnungen, die Unterschiede zwischen Gespräch und Performance, Theorie und Handeln, Kritik und Kunst festlegen. Stattdessen laden wir 45 Mitwirkende ein, ihre Freiheit in einem Gebäude auszuüben, welches vor nicht allzu langer Zeit, in den Jahren der griechischen Diktatur, Hauptquartier der Militärpolizei war. Mit Foucault verstehen wir Freiheit weder als persönlichen Besitz, noch als Naturrecht, sondern als eine Form des Handelns. Wir treiben durch die Geschichte. Da ist ein Raum. Da sind ein paar Körper. Da sind einige Stimmen. Aber was heißt es, hier und jetzt beisammen zu sein? Was können wir tun? Wer und was zeigt sich? Welche Stimmen kann man hören, und welche bleiben stumm? Wie lässt sich Öffentlichkeit anders gestalten?

Im „Parlament der Körper“ finden Sie weder einzelne Stühle, noch eine feste Architektur. Wir wollen vermeiden die Setzung des Publikums als ästhetische Besucher*innen oder neoliberale Konsument*innen. Wir haben auch die Demokratiefiktion des amphitheatralen Halbkreises verworfen. Mit dem Architekten Oskar Hansen berufen wir uns auf das politische Potenzial der „offenen Form“. Die formbare Architektur von Andreas Angelidakis aus 68 Ruinenblöcken (Ruinen eines demokratischen Parlaments?) lässt sich in unendlichen Variationen zusammensetzen und immer wieder umbauen. Sie schafft vielfältige Übergangsräume für das „Parlament der Körper“. Tag für Tag sind Sie nun eingeladen, an diesem politischen Theater mitzubauen und in ihm Ort, Hierarchie, Sichtbarkeit, Maßstäbe usw. infrage zu stellen.

Diese 34 Freiheitsübungen sollen eine queere antikoloniale Symphonie Europas seit den 1960er Jahren ergeben, mit Dialogrollen und Auftritten für die dissidenten, heterogenen, ungehörten Erzählungen. Zunächst verknüpfen wir die linksradikale Tradition mit dem antikolonialen Selbstbestimmungskampf indigener Bewegungen in Europa. Die Stimme von Antonio Negri – Mitbegründer der Gruppe Potere Operaio (Arbeitermacht) im Jahr 1969 und Mitglied der italienischen Autonomia Operaia – trifft auf die Stimme von Niillas Somby, der im Norden Norwegens für die Selbstbestimmung der Sámi kämpft. Beiden wurde in den 1970er Jahren Terrorismus der einen oder anderen Art vorgeworfen.

Wir verzichten auf die gewohnte Gegenüberstellung von Diktatur und Demokratie, um so das Versagen der Demokratisierung unter dem Regime des Neoliberalismus besser zu verstehen – am Beispiel Griechenlands, aber auch Spaniens, Argentiniens oder Chiles: Wie kam es, dass der freie Markt mit der Freiheit verwechselt wurde? Zwar gelten die 1980er Jahre als eine Zeit des Niedergangs für gesellschaftliche Emanzipationsbewegungen, in der ein neuer demokratischer Konsens auf kapitalistischer Grundlage ideologische Gegensätze durch Wirtschaftswachstum ersetzte. Doch tatsächlich konnten antikoloniale, feministische, homo- und transsexuelle Initiativen sowie Aids-Aufklärungskampagnen gerade in dieser Zeit die Brüche im hegemonialen westlichen Diskurs herausarbeiten. Wäre es möglich, daran anknüpfend eleftheria (Freiheit) wider die kapitalistische Idee der Freiheit zu denken? Zunehmend greifen wir im Lauf der zehn Tage zeitgenössische Sprachen des Widerstands auf – die kurdische Revolution in Rojava, die Stimmen von queeren, transgeschlechtlichen oder anderen Sexarbeiter*innen sowie von Migrant*innen in der Türkei, in Griechenland, Mexiko oder Brasilien, die zeitgenössischen indigenen Kämpfe für Landrückgaben, die neuen politischen und künstlerischen Ansätze zur Erfindung anderer Formen von Affekt, Wissen und politischer Subjektivität, beispielsweise Ökosex, Queer-Indigenismus oder radikale Performativität. Insgesamt entsteht daraus eine ganz andere politische und poetische Landkarte Europas als jene, die wir von der Europäischen Union kennen.

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34 Freiheitsübungen
Erweitertes Programm, 14.–24. September 2016

Mittwoch, 14. September (19:00–23:00 Uhr)

Einführung von
Adam Szymczyk, Künstlerischer Leiter, documenta 14
Paul B. Preciado, Kurator Öffentliche Programme, documenta 14
Andreas Angelidakis, Architekt/Künstler

DEMOCRACY IS NOT FREEDOM. FREEDOM IS A PRACTICE (DEMOKRATIE IST NICHT FREIHEIT. FREIHEIT IST EINE PRAXIS)

Übungen:

#1. Linnea Dick, Autorin, Malerin und Zeremonialistin mit Kawakwaka’wakw-, Nisga'a- und Tsimshian-Wurzeln

#2. Antonio Negri, Politiktheoretiker und -philosoph

#3. Niillas Somby, Journalist, Videograf und Fotograf, tritt für die politischen Rechte der Sámi ein

#4. Educación cívica / Civic Education (Staatsbürgerkunde)
Sergio Zevallos, Künstler

Educación cívica (Staatsbürgerkunde) versucht, in Anlehnung an Bodybuilding-Übungen soziale Koexistenz von Körpern zu „trainieren“. Wir sind alle Zivilist*innen: Sogar Soldat*innen besitzen eine bürgerliche Identität, und sei es im Schlaf. Umgekehrt sind wir als Zivilist*innen auch alle Soldat*innen, indem wir arbeiten und dadurch Teil einer Kriegswirtschaft werden. Zevallos Performance improvisiert ein Spiel aus Kampf- und Versöhnungsgesten. Sie ist der Versuch, sich zwischen dem Wohnen in einem einzigen Körper mit einer einzigen Identität und einem vielfältigen Körper, einer Mischung mehrerer Identitäten und widersprüchlicher Verhaltensweisen, hin und her zu bewegen. Die Performance basiert auf einer früheren Arbeit namens Clase Media (Mittelschicht) des LOT Theatre von Carlos Cueva, Carlos Javier Vega und Sergio Zevallos aus dem Jahr 2005.


Donnerstag, 15. September (19:00–23:00 Uhr)

DEMOCRATIC TRANSITIONS. . . INTO NEOLIBERALISM (DEMOKRATISCHER WANDEL. . . ZUM NEOLIBERALISMUS)

Übungen:

#5. Freedom as Market Value. Freedom as Practice of Resistance (Freiheit als Marktwert. Freiheit als Widerstandshandlung)
Judith Revel, Professorin für Philosophie an der Université Paris Ouest Nanterre La Défense, Mitglied des wissenschaftlichen Beirats am Centre Michel Foucault

Was bedeutet frei sein heute, da sämtliche Anforderungen des Marktes offenbar auf die Notwendigkeit hinauslaufen, freie, kreative, autonome, aufwärtsstrebende Individuen hervorzubringen? Worin besteht der Unterschied zwischen dem, was Foucault seit Ende der 1970er Jahre als die neue Gestalt des homo oeconomicus beschrieben hat, und der Fülle an Freiheitspraktiken, mit denen es uns vielleicht gelingen könnte, so etwas wie einen Widerstand, eine Verweigerung zu entwerfen?

#6. Memory under Construction: Towards a Public Memory of Torture in Greece (Erinnerung im Umbau: Für eine Kultur des öffentlichen Gedenkens an die Folter in Griechenland)
Kostis Kornetis, UC3M CONEX-Marie Curie Fellow im Fachbereich Geschichte der Universidad Carlos III, Madrid

Nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch von 2001 entwickelte sich in Argentinien ein körperpolitisch geprägter Diskurs, der vehement zur Auseinandersetzung mit der schmerzvollen diktatorischen Geschichte des Landes drängte. Ein Projekt namens Memoria en Construcción (Erinnerung im Aufbau) brachte die bis dahin tabuisierte Folter in den gefürchteten Geheimgefängnissen der Éscuela de Mécanica de la Armada (ESMA) ans Licht der Öffentlichkeit, machte aus dem Gebäude ein Museum und bot Führungen durch die Folterkammern an. Auch in Griechenland, Spanien und Portugal werden seit den jüngsten Konjunktureinbrüchen die politischen Strukturen und Prozesse nach dem Ende autoritärer Herrschaft kritischer betrachtet. Es lässt sich eine zweite Welle der Aufarbeitung der Geschichte beobachten. Der Wandel in den sozioökonomischen Modellen und politischen Paradigmen erzwingt auch eine Neubewertung dieser Demokratisierungsprozesse und stellt die Qualität der Demokratie als solche infrage. Zudem erweisen sich soziale Bewegungen nahe an der Basis häufig als Hüter der Erinnerung an eine schmerzvolle Vergangenheit. Kornetis stellt den Umgang mit gewalttätiger Vergangenheit am Beispiel des heutigen Griechenlands in den Mittelpunkt seiner vergleichenden Betrachtung. Er widmet sich besonders der Frage, wie aus dem privaten Erleben von Folter und Leid ein öffentliches Wissen wird.

#7. Your Neighbor’s Son: The Making of a Torturer, (Deines Nachbarn Sohn. Erziehung eines Folterers), Jørgen Flindt Pedersen und Erik Stephensen, Dänemark 1981, 52 min. Filmvorführung

#8. This is not the Place. Four Visits to Villa Grimaldi: A Chilean Center for Torture and Detention (Nein, hier war es nicht. Vier Besuche in der Villa Grimaldi, einem chilenischen Zentrum der Diktatur und Freiheitsberaubung)
Diana Taylor, Professorin für Performance Studies und Spanisch an der New York University

In den vergangenen zehn Jahren hat Diana Taylor die berüchtigte Villa Grimaldi in Chile gemeinsam mit Überlebenden der Folter, aber auch alleine mit einer Audio-Führung besucht. Was bedeutet es, sich an einem Ort der Folter und des „Verschwindens“ von Menschen aufzuhalten? Sich deren Worte einzuverleiben und sie zu übersetzen? Was machen die Überlebenden eigentlich dort? Was macht Taylor dort? Ist dies ein Fall von Todestourismus, oder erfüllt das Lager eine unverzichtbare Funktion wider das Vergessen? Dieser Vortrag beschreibt anhand von Bild- und Tonaufnahmen Taylors vier Besuche in der Villa Grimaldi.

#9. Between Terror and Revelry. Collective Strategies of Resistance during Dictatorships in Argentina and Brazil (Zwischen Terror und Überschwang. Kollektive Strategien des Widerstands in den Diktaturen von Argentinien und Brasilien)
Ana Longoni, Schriftstellerin, Kuratorin und Professorin für Kunstgeschichte an der Universidad de Buenos Aires

Die Diktaturen Brasiliens (1964–1985) und Argentiniens (1976–1983) waren Teil der Operación Condor – einer rechtswidrigen, zwischen mehreren lateinamerikanischen Regimes abgestimmten Unterdrückung durch staatlichen Terror sowie die systematische Ermordung oppositioneller Politiker*innen, Arbeiter*innen, Studierender, Intellektueller und Künstler*innen. Eine der dabei angewandten Methoden war neben Entführungen, Folter und Mord das „Verschwindenlassen“ von zehntausenden Menschen. Dieser von den Haftlagern ausgehende „Konzentrationsterror“ (Pilar Calveiro) entfaltete eine lähmende Wirkung. Doch er war nicht lückenlos. Es gab immer noch Risse im System und Alternativen, Nischen des Widerstands, der Unordnung und Konfrontation, ebenso Tarnungs- und Wandlungsstrategien für politische Handlungen und neue Arten, über den Körper nachzudenken. Between Terror and Revelry erzählt vom Nebeneinander oder sogar dem ineinander Übergehen verschiedener Arten des Widerstands. Zu diesen gehörte die Verurteilung von Repression im öffentlichen Raum durch erfinderische Aktionen von Menschenrechtsgruppen, aber auch das, was Roberto Jacoby eine „Strategie der Freude“ genannt hat: das Glücksgefühl, am Leben zu sein, der Genuss des eigenen Leibes und dessen Transformation durch die Missachtung disziplinierender Normen.

#10. DJ set
Lies van Born, DJ


Freitag, 16. September (17:45–23:00 Uhr)

Übungen:

#11. Torture and Freedom Tour of Athens (Athenrundgang zu Folter und Freiheit)
(17:45–20:45 Uhr)

Ein gemeinsamer Rundgang durch die Athener Innenstadt in Zusammenarbeit mit dem Archiv für Zeitgenössische und Soziale Geschichte (ASKI) sucht nach den historischen Spuren der Unterdrückung, Gewalt und Freiheitssehnsucht in den Jahren der Militärdiktatur (1967–1974)

Rundgang in griechischer Sprache
Beginn: 17:45 Uhr vor dem Polytechnion Eingang Tositsa Straße
Ende: Parko Eleftherias
Griechische Führung: Vangelis Karamanolakis, Historiker, Universität Athen, und Tasos Sakellaropoulos, Historiker, Leiter der Historischen Archive, Benaki-Museum, Athen)

Rundgang in englischer Sprache
Beginn: 18:15 pm vor dem Polytechnion Eingang Tositsa Straße
Ende: Parko Eleftherias
Englische Führung: Kostis Karpozilos, Historiker, Leiter der Archive für Zeitgeschichte ASKI, Athen und Katerina Labrinou, Historikerin, Panteion-Universität Athen

In Zusammenarbeit mit dem Archiv für Zeitgenössische Soziale Geschichte (ASKI), Athen.

Zur selben Zeit im Städtischen Kunstzentrum Athen im Parko Eleftherias:

#12. The Chronicle of the Dictatorship (1967–74), (Chronik der Diktatur, 1967–1974), Pantelis Voulgaris, Griechenland, 37 min.
Filmvorführung

Εpitaph for Democracy (Grabinschrift für die Demokratie)
(21:30–23:00 Uhr)

#13. Epitafios II
Angela Brouskou – Theatro Domatiou, Theatergruppe und MiniMaximum ImproVision, Improvisationsorchester

Epitafios II ist ein Gemeinschaftsprojekt von Berufsschauspieler*innen, Musiker*innen, Studierenden, Performer*innen und dem Publikum. Ein Teppich aus Objekten und menschlichen Körpern bedeckt den Boden des ehemaligen Hauptquartiers der griechischen Militärpolizei EAT/ESA. In einer Zeit, da die Welt wirtschaftlich, politisch und sozial trostlos erscheint, verfasst diese Performance eine Ode und gerät zur musikalischen Installation. Sie tritt in einen Dialog mit Thukydides' Geschichte des peloponnesischen Krieges – gelesen von einem ehrenwerten Bürger des heutigen Athen – und mit Auszügen aus Cornelius Castoriadis' griechischer Rede „Das Problem der Demokratie heute“ von 1990.

Epitafios II steht allen offen, die aus persönlichen oder geteilten Motiven teilnehmen wollen. Hier werden öffentliche Trauer und ihr Ausdruck, Tod, das Ende geschlechtlicher und familiärer Beziehungen, Verbrechen als tägliche Normalität, politische und gesellschaftliche Verwerfungen, gewalttätige Vertreibungen und existenzielle Sackgassen oder einfach nur das unwiederbringliche Vergehen der Zeit verhandelt. Wir wünschen uns von den Besucher*innen, dass sie gemeinsam und jeder für sich unvorstellbare öffentliche oder private Verluste bekennen. Eine frühere Version von Epitafios wurde 2012 in der Kunsthalle Athena aufgeführt.


Samstag, 17. September (19:00 Uhr) bis Sonntag, 18. September (22:00 Uhr)

ARCHITECTURES OF TERROR, VOICES OF RESISTANCE (ARCHITEKTUREN DES TERRORS, STIMMEN DES WIDERSTANDS)

Übungen:

#14. Ojo de gusano: Don’t Look Down (Ojo de gusano: Nicht zu Boden sehen)
Regina José Galindo, Künstlerin

Sie fielen in Griechenland
Sie fielen in Panama
Sie fielen in Venezuela
Sie fielen in Brasilien
Sie fielen in Argentinien
Sie fielen in Kolumbien
Sie fielen in Ecuador
Sie fielen un Chile
Sie fielen in Peru
Sie fielen in Bolivien
Sie fielen in Uruguay
Sie fielen in Paraguay
Sie fielen in der Dominikanischen Republik
Sie fielen in Haiti
Sie fielen in Honduras
Sie fielen in Niceragua
Sie fielen in in El Salvador
Sie fielen in Guatemala

Das Regime der Obristen in Griechenland von 1967 bis 1974 wurde, wie viele andere blutige Diktaturen während des Kalten Krieges, von den Vereinigten Staaten ‚gegen die kommunistische Gefahr' unterstützt. Wie fern wir einander auch sein mögen: Wir haben doch eine gemeinsame Geschichte von Unterdrückung, Kampf und Widerstand. Wie fern wir einander auch sein mögen: dies verbindet uns.

#15. Chronotopes / Dystopic Geometries / Terrifying Geographies (Chronotopen / dystopische Geometrien / Schreckensgeografien)
Neni Panourgia, Ethnologin, Gastdozentin für Anthropology an der New School for Social Research, New York

Michail Bachtin zufolge bindet der Chronotopos die zeitlichen und räumlichen Bezüge einer Erzählung an den ideologischen und politischen Kontext, aus dem sie hervorgegangen sind. Dadurch erst erhält die Zeit künstlerische Gestalt. Sie „setzt Fleisch an“, wie Bachtin schreibt. Ebenso lädt sich der Raum mit den Bewegungen der Zeit, Handlung und Geschichte auf. Das Fleisch der Zeit umschließt das Gewebe der Erfahrung: Erfahrung von Schmerz, Macht, Erniedrigung, Bedrohung, Ausgeschlossensein. Der Raum indiziert Zeit und ihre Inhalte und sogar wann sie diese angenommen hat. Er ist von ihr gesättigt und muss ihre Dystopien ausagieren, ob in den griechischen Folterkammern der EAT/ESA oder in der Villa Grimaldi in Chile, auf den jugoslawischen Gefängnisinseln Goli Otok und Sveti Grgur, in den Geschichten der Apachen von Keith Basso oder den verschiedenen Gedenkstätten und Touristifizierungen des Holocaust. Was genau wird zum Objekt des touristischen Blicks, wenn solche Stätten touristifiziert werden (also das Äquivalent einer Gentrifizierung durchmachen)? Wie kann rohe Macht vor der brutal nivellierenden Wirkung des touristischen Blicks bewahrt werden?

#16. Lingua Tertii Imperii

Daniel García Andújar, Künstler

Demokratie ist zu einer Frage der Ästhetik geworden, die Bühne der Öffentlichkeit nunmehr eine Art inszeniertes Videospiel oder eine Operette mit einigen wenigen einstudierten Rollen. Diese Operette steht Tag für Tag auf dem Programm – für ein Publikum, das von den Folgen der „Krise“ überwältigt ist und in der Meinung, kritisch zu denken, einem falschen und abgekarteten, frivolen, eitlen und lächerlichen Skript applaudiert. Denn zugleich wird dieses Publikum bei dem Spiel von den Massenmedien kalt gestellt und vor den Mitbürger*innen vorsorglich desavouiert, sollte es jemals wagen, auf seinen hinteren Plätzen zu buhen.

Ein Raum für politische Bauchrednerei.
Sprache ist niemals unschuldig.
Architektur ist niemals unschuldig.
Bilder sind nie unschuldig.
Sie kämpfen offen den Nahkampf mit der Geschichte.
Diese Gebäude waren einst ein Krankenhaus.
Sie wurden später zum Hauptquartier der Verhörabteilung der griechischen Militärpolizei (EAT/ESA).
Heute sind darin das Eleftherios Venizelos Museum, das Museum des demokratischen Widerstands und die Öffentlichen Programme der documenta 14 im Parko Eleftherias (Freiheitspark) untergebracht.
Nimm Diogenes' Lampe mit und spaziere am helllichten Tag durch den Park auf der Suche nach einer ehrlichen Sprache.

#17. Red Star, Crescent Moon / after Sohail Daulatzai (Roter Stern, aufgehender Mond / nach Sohail Daulatzai)
Naeem Mohaiemen, Künstler

In Black Star, Crescent Moon (Schwarzer Stern, Halbmond, 2012) schildert der Forscher Sohail Daulatzai schwarzen Internationalismus seit den 1950er Jahren als eine Geschichte von Überschneidungen mit den Gruppierungen schwarzer Muslime, radikaler schwarzer Bewegungen und der islamischen dritten Welt. Daraufhin argumentierte Mohaiemen, dass diese Begegnungen nicht immer zu progressiver Politik führten, insbesondere wenn staatliche Organisationen involviert waren („Muhammed Ali, We Still Love You: Unsteady Dreams of a ‚Muslim International’“ (Muhammed Ali, wir lieben dich noch immer: unstete Träume einer ‚Muslimischen Internationalen’), The New Inquiry, Juni 2016). In Fortführung dieser Diskussion und in Vorbereitung seines neuen Films in zwei Kapiteln für die documenta 14 untersucht Mohaiemen staatlich gelenkte Projekte der Muslim International in den 1970er Jahren als gelegentliche Nemesis radikal-emanzipatorischer Hoffnungen der Third World International während und nach dem Kommunismus.

#18. Soundscapes of Detention: Music and Torture under the Junta (1967–74)
(Klanglandschaften der Haft: Musik und Folter unter der Militärjunta, 1967–1974)
Ana Papaeti, freie Forscherin und Musikologin

Obwohl die Folter in der Zeit der griechischen Militärherrschaft (1976–1974) eingehend untersucht wurde, obwohl sie auch in wichtigen Gerichtsverhandlungen in Straßburg (1968–1969) und in Griechenland (in den so genannten „Foltererprozessen“ von 1975) Aufarbeitung erfuhr, hat die Nutzung von Musik und Ton zur Misshandlung von Menschen bisher nur wenig Beachtung erfahren. Diese auffällige Leerstelle und das Schweigen im Diskurs haben mit der restriktiven Definition der Folter für die Zwecke der Foltererprozesse von 1975, aber auch mit dem humanistischen Glauben an die Musik als eine inhärent gute und aufklärerische Kunstform zu tun. Der Missbrauch von Musik durch repressive Regimes der Vergangenheit erzählt eine andere Geschichte. Es ist ein Akt kritischer Freiheit, das nicht leicht fassbare Potenzial der Musik zur Schädigung menschlicher Subjekte öffentlich zu erörtern.

Anna Papaetis Vortrag geht dem Einsatz von Musik und Ton zum Zweck des Terrorisierens, Demütigens und „Brechens“ politischer Gefangener nach. Ausgehend von neuen Befragungen Überlebender und unter Zuhilfenahme bislang übersehener Zeugnisse in den bekannten Quellen zeigt sie, wie Musik und Ton in den Haftanstalten der Sicherheitskräfte (in Athen und Piräus) sowie von der Sonderverhör-Einheit der griechischen Militärpolizei (EAT/ESA) als Folterwerkzeuge genutzt wurden. Insbesondere geht es dabei um die Praktiken der EAT/ESA im Kontext der damals modernsten Verhörmethoden als Vorgeschichte zu gegenwärtigen Formen von akustischer Folter, wie sie zuletzt im so genannten Krieg gegen den Terror zum Einsatz kamen.

#19. Attempt. Come. (Versuch es. Komm.)
Georgia Sagri, Künstlerin

Versuch es.
Komm.
Unbestimmt.
Sei der Nichtbezugspunkt.
Stetig,
und als Zustand der Entstehung.
Spiel.
Spiel weiter mit dem Takt.
Vibrier mit mir, lass das Chaos ein.
Es ist eine Einladung.
Komm.
Als Wasser.
Wenn der Takt schlägt,
erwachen die Sinne.
Rühr dich.
Nirgends dargestellter
Eros
schlägt die Trommel.
Und das Fest beginnt,
für Jubel und Leid.

Anmerkung: Die Besucher*innen können Schlafsäcke, bequeme Kleidung, Essen und Wasser mitbringen und sich in den 24 Stunden der Aufführung des Stückes in dem Raum aufhalten. Rauchen ist nicht gestattet. Nach dem Ende der Performance am Sonntagabend findet eine Diskussion in Anwesenheit von Georgia Sagri statt.


Dienstag, 20. September (19:00–23:00 Uhr)

SILENCE AND MASKS (SCHWEIGEN UND MASKEN)
Vorstellung von South as a State of Mind #7 [documenta 14 #2]

Schweigen als Widerstand; Masken als Widerstand. Beides auf vielleicht paradoxe Weise Mittel des Handelns und des Sprechens, Formen ästhetischer und politischer Partizipation. Wenn Wörter und Bilder sich für kritische Auseinandersetzungen anwenden lassen, dann können Schweigen und Masken, die den Anspruch auf eine selbstverständliche Wahrheit aufgeben, dazu beitragen, die Konturen der politischen Aussage schärfer zu umreißen, da sie für die Notwendigkeit einstehen, sich mit dem Wirklichen zu befassen – ohne dabei jedoch in die Fallstricke der unmittelbaren Repräsentation zu geraten. In Form von Essays und Allegorien, künstlerischen Projekten und Gesprächen, Dichtung und Erzählungen widmet sich die zweite Ausgabe von South as a State of Mind der documenta 14 Fragen der Maskierung von Identität und des Verstummens von Dissens, von Mündlichkeit und Anerkennung, Indigenität und Exil, Provenienz und Restitution sowie kolonialer und sexueller Gewalt. Aus Anlass der neuen Ausgabe von South beteiligen sich Clémentine Deliss, Stathis Gourgouris und Candice Hopkins im Parko Eleftherias an einer Serie von Gaben: Lesungen, Hör-Sessions und Ritualen, alten wie neuen.

Übungen:

#20. Transgressive Listening (Hören als Regelbruch)
Stathis Gourgouris, Professor am Institute for Comparative Literature and Society der Columbia University, New York

#21. Outlawed Social Life (Gesellschaft als Verbrechen)
Candice Hopkins, Angehörige der Carcross/Tagish First Nation, freischaffende Kuratorin, Autorin und Kuratorische Beraterin der documenta 14 aus Albuquerque, New Mexico

U'mista bedeutet in der Sprache Kwak'wala die Wiederkehr von etwas oder jemandem, der, die oder das als verloren oder geraubt galt. In Alert Bay und Cape Mudge haben First Nations-Gemeinden entlang der Nordwestküste Kanadas zeremonielle Masken und Insignien heimgeführt. Sie haben jetzt U'mista.

#22. I Owe You Everything (Ich schulde dir alles)
Clémentine Deliss, Autorin und Kuratorin, zurzeit Kuratorin der Dilijan Art Initiative in Armenien. Dieser erste „Akt des Schenkens“ im Rahmen der Reihe I Owe You Everything findet im Beisein von Chief Robert Joseph, Oberhaupt der Gwawaenuk First Nation, Botschafter für Reconciliation Canada und Mitglied des National Assembly of First Nations Elders Council statt.

Das Projekt I Owe You Everything lädt zeitgenössische Denker*innen, Dichter*innen und Aktivist*innen dazu ein, einen öffentlichen „Akt des Schenkens“ als kritisch-poetisches Ritual zu gestalten und „alles“ an das „Parlament der Körper“ der documenta 14 zu übergeben.

Was lohnt es zu geben? Was „schulden“ wir einander? Was müssen wir der Geschichte zurückgeben, damit historischer Wandel stattfinden kann? Der öffentliche Akt des Schenkens ist ein kritisches und poetisches Ritual, bei dem eine Künstlerin, ein Aktivist, eine Philosophin oder ein Dichter jemand anderem „alles gibt“. Die einzelnen Schenkensakte bilden eine Kette heterogener Praktiken, ein Sammelbecken der Affekte und immateriellen Werte. Die Schenkensakte erkunden verschiedene kulturelle und politische Ökonomien rund um Phänomene wie Schulden, Gabe, Potlatch, Rache, Vergeltung, Versprechen. . .


Mittwoch, 21. September (17:00–19:00 Uhr)

STATE VIOLENCE / DOMESTIC VIOLENCE (STAATLICHE GEWALT / HÄUSLICHE GEWALT)

Übung:

#23. Interior Effects as an Outcome of War (Innerfamiliäre Nachwirkungen des Krieges)
Workshop mit Bonita Ely, Künstlerin

Wir laden Sie ein, in diesem Workshop mit der Künstlerin Bonita Ely über die anhaltenden, von einer Generation zur nächsten weitergegebenen Folgen nicht erkannter, unbehandelter posttraumatischer Belastungsstörungen (PTSD) bei den Angehörigen heimgekehrter Soldat*innen zu sprechen. Bonita Ely wird von den Erfahrungen ihrer Familie nach der Rückkehr ihres Vaters aus dem Zweiten Weltkrieg berichten. Die Künstlerin hat diese oft tragischen Folgen von nicht diagnostizierten PTSD zum Mittelpunkt ihrer künstlerischen Arbeit gemacht.

Wann immer Menschen Kriegsgewalt erleiden, wenn sie als traumatisierte Soldat*innen heimkehren, als Flüchtlinge und Migrant*innen überall in der Welt aus Ländern fliehen, in denen der Krieg wütet, um anderswo Schutz zu suchen, sind mitunter noch mehrere spätere Generationen indirekt und direkt den traumatisierenden Folgen des Krieges ausgesetzt. Die Nachkommen werden ebenso traumatisiert – durch epigenetische Übertragung, akute Ängstzustände, Unsicherheit und familiäre Gewalt.

Maximal 20 Teilnehmer*innen, Anmeldung unter: program@documenta.de.


Donnerstag, 22. September (19:00–22:00 Uhr)

THE VIRAL 1980S: DEMOCRACY, NEOLIBERALISM, AIDS (DIE VIRALEN 1980ER JAHRE: DEMOKRATIE, NEOLIBERALISMUS, AIDS)

Übung:

#24. They Glow in the Dark, Panayotis Evangelidis, Griechenland, 2013, 69 Min.
Filmvorführung und Diskussion mit Regisseur Panayotis Evangelidis


Freitag, 23. September (19:00–23:00 Uhr)

POST-PORN ACTIVISM AND ECOSEXUAL FREEDOM (POSTPORNO-AKTIVISMUS UND ÖKOSEXUELLE FREIHEIT)

Übungen:

#25. An Evening with Annie Sprinkle and Beth Stephens and Wet Dreams Water Ritual (Ein Abend mit Annie Sprinkle und Beth Stephens und Feuchte Träume-Wasserritual)
Annie Sprinkle, Aktivistin, Künstlerin und Lehrerin, Beth Stephens, ökosexuelle Performancekünstlerin, Filmemacherin, Aktivistin, Lehrerin, Gründungsdirektorin des E.A.R.T.H. Lab und Kunstprofessorin an der University of California, Santa Cruz. Sprinkle und Stephens sind die Autorinnen des Ecosex Manifesto.

Eine Einladung, die Freuden und Gefahren des Wassers mitzuerleben. In Zusammenarbeit mit Künstler*innen, Aktivist*innen, Musiker*innen, Sexarbeiter*innen, Flüchtlingen sowie anderen Menschen und Nicht-Menschen.

Anmerkung: Bitte bringen Sie etwas Wasser aus Ihrer Heimatstadt für ein Wasserritual mit. Tragen Sie die Farben des Wassers; türkis, blau und schwarz. Kommen Sie verkleidet, nackt, bemalt, verziert oder ganz einfach wie Sie mögen.

#26. The Waltz of the Dirty Streets (Der Walzer der dreckigen Straßen)
Adespotes Skiles, selbstverwaltetes Orchester und Theaterkollektiv

Diese Performance ist durch all jene beeinflusst, die zu einem Zeitpunkt, an einem Ort, auf irgendeine Art und Weise auf das, was sie herabgesetzt hat, mit tausdenden von Fragen reagiert haben. Durch all diejenigen, die, wenn auch nur für einen kurzen Moment, den Status Quo oder ihre eigenen, tiefsten Überzeugungen in Frage gestellt haben – all jene, die, wenn auch nur für einen Moment, eine persönliche Begegnung mit dem Leben und der Welt hatten, die jenseits ihrer eigenen Vorurteile stattfand.


Samstag, 24. September (19:00–3:00 Uhr)

“APATRIDE” TRANSFEMINIST QUEER NIGHT („APATRIDE“ TRANSFEMINISTISCHE QUEER-NACHT)

Übungen:

Veranstaltet in Zusammenarbeit mit dem AMOQA (Athens Museum of Queer Arts).

#27. Decolonizing Memory: Vita Futurities in the Americas (Erinnerung entkolonisieren: Lebenslaufzukünfte in den beiden Amerikas)
Macarena Gómez-Barris, Dekanin der Fakultäten für Social Sciences und Cultural Studies am Pratt Institute in Brooklyn, New York

In diesem Vortrag stellt Gómez-Barris die Frage, wie wir unsere Erinnerung entkolonisieren und alternative, antikapitalistische Lebensentwürfe zur Geltung bringen können. Insbesondere geht es ihr um das Problem, dass gerade die Evakuierung kolonialer und dissidenter Erinnerung aus den beiden Amerikas siedlerkolonialistische und genozidale Logiken reproduziert hat, die eng mit der Geschichte der autoritären Herrschaft in diesen Staaten verflochten sind. Gómez-Barris erkundet Räume „en el Sur“, „im Süden“, wie das ehemalige Konzentrationslager Villa Grimaldi in Chile, Wallmapu an der Südspitze des Kontinents oder postkoloniale Gesellschaftsformen in Bolivien. Sie nähert sich den gelebten Zukünften auf dem Umweg über verschüttete Perspektiven, oder eher über Denkweisen mit dem Potenzial, den Horizont der kolonialen Bedingung und der patriarchalen Staatserzählungen zu überwinden. Im Mittelpunkt ihrer Analyse stehen indigene und feministische Formen von Visualität und gemeinschaftlichem Leben, die normative Prozesse kapitalistischer Akkumulation ebenso außer Kraft setzten wie die Ästhetik des Westens. Gómez-Barris diskutiert den indigenen Experimentalfilm, Anarcho-Feminismen, Umkehrungen des Sehens und gesehen Werdens sowie andere antikapitalistische, anti-ausbeuterische Vorstellungen in Nord- und Südamerika. Sie zeigt, wie diese verschütteten Perspektiven die Unausweichlichkeit der kapitalistischen Dezimierung und des Anthropozäns entkolonisieren, wie sie zugleich andere, regionale, queere und feministische Weltzukünfte in den Vordergrund rücken.

#28. Rojava is a Women’s Revolution: Jineology as Women’s Science (Rojava ist eine Revolution der Frauen: Jineologie als Frauenwissenschaft)
Hawzhin Azees, Politiktheoretikerin und Aktivistin aus dem südlichen Kurdistan, Nordirak

Die Revolution in Rojava im westlichen Kurdistan ist unter linken Gruppen und Organisationen international beliebt. Trotz des immensen sozialpolitischen Nutzens und der kolossalen, grundlegenden Veränderungen, die es dort in Bezug auf Gender-, Demokratie- und Ökologiefragen gab, betrachten die internationalen Medien Rojava und die Kurd*innen noch immer aus eurozentrischer und orientalistischer Perspektive, insbesondere, wenn es um weibliche kurdische Kämpferinnen geht. Selbst von links gibt es jedoch kaum eine Reflexion der Ideologie, die die Kämpferinnen antreibt und die eine solide, demokratische und feministische Grundlage für Rojava gewährleistet hat. Das Medieninteresse gilt, wenn überhaupt, der radikalen Demokratie und ihren „anarchistischen“ Wurzeln im von Murray Bookchin begründeten Libertarian Municipalism (Libertäre Gemeinschaft). Es ist jedoch die als Jineologie (weibliche Wissenschaft) bekannte Ideologie, die hinter der Frauenbewegung steckt und als radikale Demokratie den sogenannten Demokratischen Konförderalismus untermauert. Diese Denkschule stammt allein von kurdischen Aktivistinnen und Kämpferinnen. Es ist diese Ideologie, in Verbindung mit staatenloser Demokratie, die in Rojava weitere Erforschung und Aufmerksamkeit verdient.

#29. Trans*: Bodies and Power in the Age of Transgenderism (Trans*: Körper und Macht in der Transgender-Ära)
Jack Halberstam, Gastprofessor für English Studies and Comparative Literature und Gender Studies an der Columbia University, New York

Halberstams neuste Forschung beschäftigt sich mit der exponentiellen Ausweitung der öffentlichen Diskussion um Transgeschlechtlichkeit im vergangenen Jahrzehnt in den USA und Europa. In seinem Buch Trans*. A Quick and Quirky Account of Gender Variability (Trans*. Ein kurzer quirliger Bericht über Gender-Veränderlichkeit, erscheint 2017), analysiert Halberstam die Gründe für diese Veränderung: Was einmal als ungewöhnliche oder gar bedauernswerte Störung galt, ist inzwischen akzeptierte Artikulation geschlechtlicher Verkörperung und der gesellschaftliche Boden eines neuen politischen Engagements. Wie hat sich eine noch vor kurzem so stigmatisierte Identität zu einer so wichtigen Artikulation eigener und fremder Identität in den USA und Europa entwickelt? Was treibt die anhaltende Faszination für transgeschlechtliche Verkörperungen, und inwiefern hat die Anerkennung ihrer Legitimität gegenwärtige Geschlechterprotokolle in den USA verändert? Was ist die Geschichte von Gender, und wie verhält sich diese zur Geschichte der Sexualität, Ethnizität, körperlicher Leistungsfähigkeit (bzw. Behinderung) und Gesundheit? Ob es nun um die Form bevorzugter geschlechtsspezifischer Personalpronomen oder um neue Kategorien geschlechtlicher Identität (agender, androgyn, cisgender) geht: Die Sichtbarkeit von Transgender muss als Teil einer größeren Veränderung im Umgang mit der Klassifikation, dem Benennen und Bewohnen des menschlichen Körpers gelten. Während auf Facebook und in anderen sozialen Medien neue Gender-Protokolle zum Ausdruck gebracht werden, die in Richtung fortschrittlicherer, flexiblerer oder sogar dezentrierter Geschlechtszuschreibungen weisen, könnte es umgekehrt sein, dass die zunehmende Beweglichkeit in Sachen des sozialen Geschlechts bereits Teil neuer Ordnungsregimes ist.

Trans* widmet sich dem Hin und Her von Reglementierung und Innovation, von Steuerung und Ausprobieren. Halberstam verzeichnet Änderungen im Bereich von Trans-Identitäten in einer Matrix von geschlechtlichen Identitäten und Praktiken. Er zeigt in seinem Beitrag für die documenta 14 auch, dass vermehrte Sichtbarkeit für jegliche Minderheit oder Bevölkerungsgruppe Vor- und Nachteile hat, dass mit ihr Anfälligkeiten und Potenziale einher gehen.

#30. #Direnayol (#Resistayol), Dokumentarfilm von Rüzgâr Buşki, Türkei, 2016, 60 Min.
Filmpremiere

#31. Stimmen der Transgender- und Queer-Politik im Mittelmeerraum, mit:

Rüzgâr Buşki, Multimedia-Künstler und Produzent, Mitglied von Kanka Productions
Gizem Oruç, Musikerin, Produzentin und Multimedia-Künstlerin, Mitglied von Kanka Productions
Şevval Kılıç, Sexarbeiterin, Queer- und Trans-Aktivistin in Istanbul
Nelli Kampouri, Genderwissenschaftlerin am Zentrum für Genderstudien KEKMOKOP, Panteion-Universität Athen
Margarita Tsomou, Herausgeberin des Missy Magazines, Autorin, Dramaturgin und Kuratorin in Berlin
Maria Mitsopoulou aka Maria F. Dolores, bildende Künstlerin und Performerin, AMOQA (Athens Museum of Queer Arts)
Anna Apostolelli, Aktivistin, zurzeit Mitglied des frauengenossenschaftlichen Cafés Beaver in Athen, AMOQA (Athens Museum of Queer Arts)
Tina Voreadi, bildende Künstlerin und Lehrerin, AMOQA (Athens Museum of Queer Arts)

#32. Queer Indie Gig, HTH Green to Blue Shock Treatment (Queerer Indie Gig, HTH Green to Blue Schock Behandlung)
Prasini Lesvia, Musikerin

#33. DJ set
Gizem Oruç, Musikerin

#34. The Epic of Eleftheria (Das Epos von Eleftheria)
Irena Haiduk, Künstlerin und Eirini Vakalopoulou, Autorin und Dichterin

Im Osten und Fernen Osten, im Süden und im tiefen Süden, jenseits des Nordens und im fernen, tiefen Westen ist Geschichte hauptsächlich eine mündliche Kulturtechnik. Die Dichterin ist Zeugin. Sie hält Dinge fest, webt Geschichte und bringt andere durch Zuhören und Weitererzählen in Kontakt mit dieser. Während fünf Jahrhunderten osmanischer Herrschaft wurde Serbiens Geschichte hauptsächlich mündlich, von „Guslaren“ genannten epischen Sänger*innen erinnert und weitergegeben. Diese Tradition existiert bis heute. Ihre Gedichte erzählen verschiedene, private und öffentliche Geschichten: Geburten, Tode, Hochzeiten, Verträge, Schlachten, Wanderungen und Vergeltungen. Im frühen 19. Jahrhundert wurden die meisten der Gedichte von Vuk Stefanović Karadžić gesammelt und in Wien und Leipzig auf Serbisch veröffentlicht.

Zum Ende der Eröffnung der Öffentlichen Programme der documenta 14 im Parko Eleftherias führt Irena Haiduk den gestalterischen Prozess vor, der der Verwandlung eines Ereignisses in eine mündliche, epische Erzählung unterliegt. Ihr Gedicht wird als historische Aufzeichnung dienen.

Gesamtdramaturgie der Freiheitsübungen:
Prodromos Tsinikoris, Künstlerischer Kodirektor der Experimentellen Bühne -1 am Athener Nationaltheater.

Mitwirkende

Adespotes Skyles ist eine 2008 gegründete Kooperative für darstellende Künste mit wechselnder Zusammensetzung. Der Waltz of the Dirty Street ist ihre Aufführungsform, mit der sie ihre Kritik an gesellschaftlichen und politischen Zuständen zum Ausdruck bringen. Der Eintrittspreis für Aufführungen von Adespotes Skyles liegt im Ermessen der Besucher*innen. Die Truppe unterstützt den freien Zugang zur Kunst und zu allen selbstorganisierten Initiativen.

AMOQA ist eine queere und selbstorganisierte Plattform für Künstler*innen und Aktivist*innen, die zurzeit von Anna Apostolelli und Tina Voreadi als gemeinsamen Leiterinnen und Kuratorinnen betrieben wird.

Daniel García Andújar ist ein spanischer Foto- und Videokünstler, Aktivist und Kunsttheoretiker, der in Barcelona lebt. Als Künstler begann er in den späten 1980er Jahren hauptsächlich mit Video und Interventionen im öffentlichen Raum zu arbeiten, in denen es um Rassismus und Fremdenfeindlichkeit oder um den Missbrauch von Überwachungstechnologien geht. Die meisten seiner Kunstprojekte gründen auf gemeinsamer, kritischer Recherche zu Erscheinungen des politischen, historischen, gesellschaftlichen und kulturellen Lebens sowie ihrer Darstellung in den Medien: Körperpolitik, Korruption, Zensur, Fremdenfeindlichkeit, Stadtentwicklung, Kulturindustrie, Einbeziehung und Ausschluss durch Technologien, und Umgang mit dem öffentlichen Raum. Andújars theoretische und künstlerische Arbeit greift in den öffentlichen Raum ein. Sie nutzt die digitalen Medien ebenso wie die Kommunikationsstrategien der Konzerne, die hinter diesen stehen. Dabei wechselt sie ständig zwischen den Gebieten des Realen (der Stadt) und des Virtuellen (des Netzes).

Andreas Angelidakis hat einen BA der Architektur am Southern California Institute of Architecture, Santa Monica, und den MSc in Advanced Architectural Design an der Columbia University, New York, erworben. Zu seinen jüngsten Einzelausstellungen zählen Soft Ruin, ALT Art Space, Istanbul (2016), 1:1 Period Rooms, Het Nieuwe Instituut, Rotterdam (2015), und Every End is a Beginning, eine Retrospektive seiner Arbeiten am National Museum of Contemporary Art, Athen (EMST) 2014. 2015 nahm er an der 1. Chicago Architecture Biennial und der 12. Baltic Triennial, Vilnius, teil. Jüngst hat er die Ausstellung Fin de Siècle, Swiss Institute, New York (2014), kuratiert und gestaltet sowie The System of Objects, DESTE Foundation for Contemporary Art, Athen (2013).

Anna Apostolelli hat Schiffsmaschinenbau an der Nationalen Technischen Universität Athen studiert und arbeitet zurzeit im frauengenossenschaftlichen Café Beaver in Athen. Sie hat in queeren, feministischen und antinationalistischen Gruppen in Athen mitgewirkt und zu diesen Themen auch mit entsprechenden Initiativen im Ausland gearbeitet.

Hawzhin Azeez ist Kurdin und stammt aus dem südlichen Kurdistan (Nordirak). Um Saddam Husseins völkermörderischer Anfal-Vernichtungskampagne zu entkommen, wanderte sie 1994 mit ihrer Familie nach Australien aus und studierte Politikwissenschaften und Internationale Beziehungen an der University of Newcastle, wo sie ein PhD erwarb. Sie gehört dem Kurdistan Nationalkongress (KNK) und dem Kobanê Reconstruction Board an. Seit neun Monaten lebt sie in Kobanê, um den Wiederaufbau des Kantons voranzubringen. Sie hat zu Themen des Wiederaufbauprozesses allgemein und besonders zum Fehlen eines humanitären Korridors nach Kobanê Arbeiten publiziert.

Angela Brouskou ist Schauspielerin und Regisseurin. Sie gründete 1993 gemeinsam mit der Schauspielerin Parthenopi Bouzouri das Theatro Dematiou in Athen. Die Kerntruppe und andere Mitwirkende erweitern in Workshops Praktiken und Methoden des Schauspiels und erarbeiten eine zeitgenössische Theatersprache. Die Gruppe widmet sich der Forschung und dem Experiment im umfassenden Sinn des Wortes. Ihr wichtigstes Anliegen ist es, eine Verbindung zwischen dem Theater und den extremen Zuständen in der heutigen Welt zu schaffen. Moderne und klassische Dramenliteratur sowie die antike Tragödie bilden die Substanz ihrer Forschung und Grundlage ihrer Arbeit. Hinzu kommen nicht-theatrale Texte als Ausgangspunkte für das Erzeugen eines Bewusstseinsfelds, in dem sich die Bedeutung des Theaters anhand brennender Fragen in diesen grausamen Zeiten neu erschließt.

Rüzgâr Buşki kam in Istanbul zur Welt. Er studierte Journalismus an der Universität Istanbul. Zurzeit lebt er in Berlin und studiert Kunst und Medien an der Universität der Künste. #direnayol (2016) ist Rüzgâr Buşkis erster Film.

Clémentine Deliss ist Kuratorin der Dilijjan Art Initiative in Armenien. 2015/16 war sie Fellow am Wissenschaftskolleg in Berlin. Sie hat in Wien, Paris und London Gegenwartskunst und Ethnologie studiert. Von 2010 bis 2015 war sie Leiterin des Weltkulturen Museums in Frankfurt am Main, von 2002 bis 2009 leitete sie das interdisziplinäre Forschungslabor Future Academy mit Studierendenzellen in London, Edinburgh, Dakar, Mumbai, Bangalore, Melbourne, Tokio und Yamaguchi. Davor war sie Herausgeberin des Künstler*innen- und Autor*innenorgans Metronome sowie des Verlags Metronome Press (1996–2007), die beide auf der documenta 10 beziehungsweise der documenta 12 vertreten waren.

Linnea Dick ist die Tochter von Pamela Bevan und Beau Dick. Sie führt den Kwakwaka'wakw-Namen Malidi mit der Bedeutung „immer einen Sinn und Weg im Leben finden“. Ihre Vorfahren sind Kwakwaka'wakw, Nisga'a und Tsimshia. Ihre frühe Kindheit verbrachte sie in Alert Bay, später zog sie mit ihrer Schwester Geraldine nach Vancouver. 2004 und 2005 befasste sie sich mit der Kultur und den Traditionen der Haida und verbrachte einige Zeit in Haida Gwail, wo ihre beiden älteren Schwestern leben. In ihrer Arbeit hilft sie hauptsächlich anderen Menschen, und sie plant, eine Kuranstalt für Frauen und Kinder zu gründen. Sie ist Schriftstellerin und Malerin. Dick war unter den wichtigsten Teilnehmern und Organisatoren von Awalaskenis I und Awalaskenis II – der zeremoniellen Brechung von Kupfer auf den Stufen der British Columbia Legislature und des Parlamentsgebäudes in Ottawa, Kanada. Das Zerbrechen des Kupfers ließ eine alte Beschämungszeremonie wiederaufleben, die einst zum komplexen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen System des Potlatschs gehörte.

Bonita Ely ist eine australische Künstlerin. In ihrer interdisziplinären Kunst geht es meist um Umweltfragen oder gesellschaftlich-politische Themen. Sie erfindet Fantasiefiguren, erhellende Mythologien und Erzählungen, um sich mit den Ursachen und Folgen von Umweltzerstörung und sozialer Ungleichheit auseinanderzusetzen. In den 1970er Jahren stellte sie mit ihrer Arbeit Locust People (Heuschreckenvolk) einen Bezug zwischen den Heuschreckenplagen und unserer Ausbeutung natürlicher Ressourcen her. Die Zutaten für ihre Kochdemonstrations-Performances Murray River Punch (1979) waren Schadstoffe, die den Murry River verschmutzten. Zu ihren Arbeiten im öffentlichen Raum gehört Thunderbolt (2010), eine Veranschaulichung des Energieverbrauchs in ihrer Nachbarschaft. Eine ihrer kreativen Methoden war die forensische Verzeichnung der Umweltzerstörung. Im Gegensatz dazu besteht Interior Decoration (seit 2013) aus der Schlafzimmereinrichtung ihrer Eltern, die Ely zu einer unheimlichen Installation formverwandelte und militarisierte. Die Arbeit verhandelt die seelischen Folgen posttraumatischer Belastungsstörungen durch Kriegserlebnisse. Bonita Ely ist Associate Professor an der Art and Design Facultry der University of New South Wales, Sydney, und dort auch Mitglied der Environmental Research Initiative for Art (ERIA).

Panayotis Evangelidis ist in Athen geboren und aufgewachsen. Er hat an der Universität Athen ein Jurastudium absolviert und arbeitet als Drehbuchautor und Übersetzer (aus dem Japanischen, Spanischen, Englischen und Französischen). Evangelidis hat vier Romane veröffentlicht und mit Panos Koutras an den Drehbüchern für Filme wie The Attack of the Giant Mousaka, Real Life, Strella (Offizielle Auswahl Berlinale Panorama 2009) und Xenia (Offizielle Auswahl, Un certain regard, Cannes Film Festival 2014) gearbeitet, außerdem mit Nikos Lyngouris an Fog under the Sun und mit Dimitris Bitos an Ventilator. 2008 führte Evangelidis Regie bei seinem ersten Dokumentarfilm Chip and Ovi, gefolgt von mehreren weiteren Dokumentationen, darunter The Life and Death of Celso Junior (2010), They Glow in the Dark (2012) und Pure Life (2015).

Regina José Galindo kam in Guatemala-Stadt zur Welt. Als Künstlerin und Dichterin begann sie 1999 mit Performances im öffentlichen Raum. Galindos Arbeit erlangte 2005 internationale Aufmerksamkeit, als sie für ¿Quien Puede Borrar Las Huellas? (2003) auf der Biennale von Venedig als erste Zentralamerikanerin überhaupt den Goldenen Löwen in der Kategorie Künstler unter 30 erhielt. Heute gilt sie als eine der profiliertesten zeitgenössischen Performancekünstlerinnen ihres Landes. Galindos Kunst ist von der Gewalt geprägt, die der Bürgerkrieg von 1960–1996 in der guatemaltekischen Kultur hinterlassen hat. In ihren Darbietungen findet sie mit ihrem Körper bildhafte Metaphern für das Leben und die Ungerechtigkeit gegenüber Frauen in dieser Gesellschaft. Auf allgemeiner Ebene kann man ihre Kunst als Ausdruck von Verletzlichkeit, Machtungleichgewicht und Ohnmacht verstehen.

Macarena Gómez-Barris ist Dekanin des Fachbereichs Social Sciences and Cultural Studies am Pratt Institute in Brooklyn, New York. Sie forscht auf den Gebieten des kulturellen Gedächtnisses, der anti-autoritären Ästhetik, des entkolonisierten Denkens, der sozialen Ökologien und der radikalen Alternativen zu unseren Zukunftsentwürfen. Sie ist Autorin von The Extractive Zone: Submerged Perspectives and Decoloniality (im Erscheinen, 2016), Where Memory Dwells: Culture and State Violence in Chile (2009), und Mitherausgeberin (mit Herman Gray) von Towards a Sociology of a Trace (2010). Macarena lehrt zu kulturellen und gesellschaftlichen Dissidentenbewegungen, zur vergleichenden Indigenität und Entkolonisierungstheorie, zu Bildkulturen und lateinamerikanischer Geistesgeschichte. Sie ist Mitherausgeberin von Las Américas Quarterly, einer Sondernummer von American Quarterly (November 2014), sowie von Decolonial Gestures, E-misférica (Mai 2014).

Stathis Gourgouris ist Professor am Institute for Comparative Literature and Society der Columbia University, New York. Er ist Autor von Synaesthetics of the Polity (erscheint 2018), The Perils of the One (erscheint 2017), Lessons in Secular Criticism (2013), Does Literature Think? (2003), Dream Nation (1996) und Herausgeber von Freud and Fundamentalism (2010). Er hat zahlreiche Aufsätze zur Philosophie der griechischen Antike, zur politischen Theorie und modernen Poetik, zu Film und Theater, zeitgenössischer Musik und Psychoanalyse veröffentlicht. Sein Beitrag zu South as a State of Mind #7 [documenta 14 #2] ist Teil seines neuen Projekts zum verbotenen Hören.

Jack Halberstam ist Visiting Professor of English Studies and Comparative Literature and Gender Studies an der Columbia University. Er ist Autor von Gaga Feminism: Sex, Gender, and the End of Normal (2012), The Queer Art of Failure (2011), In a Queer Time and Place (2005), Female Masculinity (1998) und Skin Shows: Gothic Horror and the Technology of Monsters (1995). Zurzeit arbeitet er an mehreren Projekten, darunter an einem Buch mit dem Titel WILD THING über queere Anarchie, Performance- und Protestkultur, sowie über bildliche Darstellungen von Anarchie und deren Überschneidungen mit Tierwelt, Mensch und Umwelt.

Irena Haiduk lehnt Biografien ab. http://irenahaiduk.com/sitefiles/AGAINST_BIOGRAPHY.pdf

Candice Hopkins ist Angehörige der Carcross/Tagish First Nation, freischaffende Kuratorin und Autorin. Sie lebt in Albuquerque, New Mexiko und ist kuratorische Beraterin der documenta 14. Ihre Texte zur Geschichte, Kunst und Architektur sind in verschiedenen Magazinen und Sammelbänden erschienen. Hopkins hat Vorträge unter anderem an folgenden Einrichtungen gehalten: Witte de With, Tate Britain, Tate Modern, Dakar Biennale, University of British Columbia. 2015 erhielt sie den begehrten Hnatyshyn Foundation Award for Curatorial Excellence in Contemporary Art. Sie war in kuratorischen Funktionen am IAIA Museum of Contemporary Native Arts, an der National Gallery of Canada, the Western Front und an der Walter Phillips Gallery des Banff Centre tätig.

Chief Robert Joseph ist Hereditary Chief (vererbter Titel für Oberhäupter) der Gwawaenuk First Nation, Botschafter für Reconciliation Canada und Angehöriger des National Assembly of First Nations Elders Council. Er war davor Executive Director der Indian Residential School Survivors Society und dient als Ehrenzeuge in Kanadas Truth and Reconciliation Commission. Als Vorsitzender der Native American Leadership Alliance for Peace and Reconciliation sowie als Ambassador for Peace and Reconciliation bei der interreligiösen und internationalen Federation for World Peace (IFWP) hat Chief Joseph mit führenden Politikern aus Südafrika, Israel, Japan, Südkorea, der Mongolei und den USA konferiert und sich mit diesen über verschiedene Auffassungen von Glaube, Hoffnung, Heilung und Versöhnung ausgetauscht. Chief Robert Joseoph nahm auch an den zeremoniellen Zerstörungen von Kupferplatten Awalaskenis I und Awalaskenis II teil.

Nelli Kampouri ist Genderforscherin und arbeitete seit 2005 am Zentrum für Genderstudien und am KEKMOKOP, Abteilung für Sozialpolitik der Panteion-Universität Athen. Sie unterrichtet zu Gender, Arbeits- und Sozialpolitik und forscht im Bereich Gender und Logistik. An der Foundation for Research and Technology (FORTH) auf Kreta hat sie ein Forschungsprojekt über Gender, Wissenschaft und Technologie abgeschlossen. Ihre wissenschaftliche Arbeit und Publikationstätigkeit konzentriert sich auf den Überschneidungsbereich von Gendertheorie, Migration, Prekarität und sozialen Bewegungen. Zurzeit interessiert sie sich insbesondere für die Frage, wie man die griechische „Krise“ aus Sicht der postkolonialen Theorie und der Entkolonisierungsbewegungen anders begreifen könnte.

Vangelis Karamanolakis ist Dozent für Theorie und Geschichte der Historiografie an der Universität Athen, außerdem Sekretär des Direktoriums der Archive für zeitgenössische Sozialgeschichte (ASKI) und stellvertretender Vorsitzender des Direktoriums am Historischen Archiv der Universität Athen. Er ist Autor von The University of Athens and its History, 1837–1937 (mit Kostas Gavroglou und Chaido Barkoula) (2014), sowie von The Formation of Historic Science and History Teaching at the University of Athens (1837–1932) (Athen 2006).

Kostis Karpozilos ist Historiker und Direktor der Archive für zeitgenössische Sozialgeschichte (ASKI) in Athen. Er hat das Drehbuch zum Dokumentarfilm Greek-American Radicals: The Untold Story (2013) verfasst, außerdem Stavros Kallergis Archive. Building Blocks from the Design of a Socialist State (2013) über den kretischen Sozialisten und Intellektuellen Stavros Kallergis. Demnächst erscheint sein Werk über die „Revolutionäre Diaspora“. Er hat überwiegend zu den revolutionären Diasporas in den Vereinigten Staaten geforscht und ausführlich über die griechische „Krise”, die europäische Linke und die Grenzen der politischen Vorstellungskraft in der Welt seit 1989 geschrieben. Derzeit arbeitet er an einer Geschichte der griechischen Linken in der Welt.

Şevval Kılıç kam in Istanbul zur Welt und engagiert sich seit mehr als fünfzehn Jahren für die Rechte von Sex-Arbeiterinnen. Sie ist Mitbegründerin der Frauenrechtsorganisation Womens’ Door, Kandidatin der türkischen Partei HDP und seit 20 Jahren in der LGBTI+-Szene aktiv. Sie hat Istanbul LGBT und die Istanbuler Trans Pride mit begründet und ist Mitglied im Istanbuler Pride Committee. Kämpferisch wie eh und je.

Kostantinos Kornetis ist UC3M CONEX-Marie Curie Fellow im Fachbereich Geschichte der Universidad Carlos III in Madrid. Er forscht zur Geschichte und Erinnerung der 1960er Jahre, zu Methoden der Oral History und zum Film als sozial- und kulturgeschichtlichem Quellenmaterial. Sein Buch Children of the Dictatorship. Student Resistance, Cultural Politics and the “Long 1960s” in Greece erschien 2013 und wurde 2015 mit dem Edmund Keeley Book Award ausgezeichnet. Derzeit arbeitet er an einem Buch zum öffentlichen Gedenken in den Demokratisierungsprozessen Südeuropas und Lateinamerikas.

Kanka Productions wurde von Rüzgâr Buşki, Senem Donatan, P. Ulaş Dutlu, Gizem Ornc and Zara Zandieh im Geist queer-feministischer Kameradschaft in Istanbul gegründet. Kanka Productions produziert Experimentalfilm, Video und Klang- und Multimediakunst mit dem Ziel, die Freude am gemeinsamen Schaffen zu mehren.

Katerina Labrinou hat ein Doktorat der Abteilung für Politikwissenschaft und Geschichte an der Panteion-Universität in Athen. Davor hat sie an der Universität Athen ein Philosophiestudium und an der Lancaster University einen Master in Cultural Studies abgeschlossen (2003), sowie einen weiteren in Politikwissenschaften und Soziologie an der Universität Athen (2006). Sie arbeitet für das Zentrum für politische Forschung an der Panteion-Universität und hat Aufsätze und Studien in wissenschaftlichen Zeitschriften und Sammelbänden veröffentlicht.

Ana Longoni ist Autorin, Forscherin am CONICET und Professorin an der Universidad de Buenos Aires. Ihre Forschung konzentriert sich auf den Überschneidungsbereich von Kunst und Politik in Lateinamerika seit den 1960er Jahren. Sie ist seit Gründung des Red Conceptualismos del Sur im Jahr 2007 dessen aktives Mitglied. Als Kuratorin verantwortete sie die Ausstellungen Desire Rises from Collapse (2011) und Losing the Human Form (2012), beide am Reina Sofia-Museum in Madrid. Sie hat unter anderem, allein oder in Zusammenarbeit, die folgenden Werke veröffentlicht: Del Di Tella a Tucumán Arde (Buenos Aires, El cielo por asalto, 2000 und Eudeba 2008), Traiciones (Buenos Aires, Norma 2007), El Siluetazo (Buenos Aires, Adriana Hidalgo, 2008).

MiniMaximum ImproVision ist eine Gruppe von Musiker*innen, Architekt*innen und bildenden Künstler*innn, die unter Verwendung von akustischen und elektrischen Instrumenten, gesampeltem Tonmaterial, Stimmen, Texten, Objekten und Bildern und ausgehend von erzählerischen Konzepten arbeitet. Ihre Improvisationen entwickeln sich aus einem Fluss von Tönen und Bildern, dessen Elemente rund um ein erzählerisches Leitmotiv komponiert und konstruiert sind. In letzter Zeit arbeitet die Gruppe vermehrt an audivisuellen live-Installationen für Theaterinszenierungen und Performances. Sie schafft Räume mit Hilfe der dreidimensionalen Installation von Klangquellen und experimentiert mit dem Einsatz von Musik als szenischem und wesentlichem dramaturgischen Element. MiniMaximum ImproVision entwickelte sich vom Duett (2005) zum Sextett (seit 2011, mit Toningenieur) und ist bisher in Athen und anderen griechischen Städten aufgetreten.

Maria Mitsopoulou (aka Maria F. Dolores) ist eine bildende Künstlerin und Performerin. Sie beteiligt sich an Ausstellungen und kooperativen Prozessen, die Kunst, Sex und Politik verbinden. Außerdem organisiert sie mehrere queer-feministische DIY-Kunsträume zwischen Athen, Barcelona und Berlin. Zurzeit arbeitet sie für das AMOQA (Athens Museum of Queer Arts), einem hybriden Treffpunkt für netzwerkende Forscher*innen, Aktivist*innen und Künstler*innen, die zu den Themen Körperpolitik, Erinnerung, Gender und Identität arbeiten.

Naeem Mohaiemen arbeitet seit 2006 an The Young Man Was, einer Serie von Filmen und Essays über die revolutionäre Linke der 1970er Jahre. Seine Protagonist*innen leiden oft an Wahrnehmungs- oder Erinnerungsstörungen und enden als „unfreiwillige trojanische Pferde“. Sie bringen als solche Tragödien über die jeweiligen Länder (von japanischen Entführern, die den Flughafen von Dhaka zu „Solidarität“ zwingen wollen, bis zu den Netzwerken von Wanderarbeiter*innen, aus denen die PLO einen unsteten Nachschub an „Freiwilligen“ generiert). Obwohl Kommunismus in seiner traditionelllen Form als gescheitert gesehen warden kann, hegt Mohaiemen durchaus Hoffnung für das Potenzial einer internationalen Linken. Teile des Projekts waren 2014 in dem von Adam Szymzcyk kuratierten Überblick Prisoners of Shothik Itihash in der Kunsthalle Basel zu sehen. Der Historiker Afsan Chowdhury (dessen Tagebuch den Anstoß zum Projekt The Young Man Was gab) beschrieb die Arbeiten von Mohaeiemen, Yasmine Saikia, Dina Siddiqi, Nayanika Mookherjee und Bina D'Costa als „zweite Welle der Geschichtsschreibung“ Asiens zusammen. Naeem Mohaiemen ist Doktorand an der Columbia University, New York, und war 2014 John Simon Guggenheim Fellow für Film und Video.

Antonio Negri ist Professor für Staatstheorie an der Universität Padua. Er wirkte aktiv an den Debatten und Kämpfen linksradikaler italienischer Arbeiter in den 1960er und 1970er Jahren mit und war an der Publikation der Quaderni Rossi, den Classe operaia und von La classe sowie in der außerparlamentarischen Opposition Potere Operaio beteiligt. Er war Organisator und Theoretiker auf dem Gebiet der Arbeiter*innenautonomie und hat an einigen der bedeutendsten Universitäten Europas gelehrt. Negri wurde 1979 verhaftet und verbrachte mehr als vier Jahre im Gefängnis. Danach lebte er vom 1983 bis 1997 im französischen Exil. Nach seiner Rückkehr nach Italien und beinahe sechs Jahren weiterer Haft lebt er heute in Freiheit. Er ist Autor von mehr als zwanzig Büchern. Gemeinsam mit Michael Hardt hat er die gefeierte Trilogie Empire – die neue Weltordnung (2001), Multitude – Krieg und Demokratie im Empire (2005) und Common Wealth: Das Ende des Eigentums (2009) verfasst.

Gizem Oruç (aka 6zm) ist Musikerin, Produzentin und Multimedia-Künstlerin. Sie hat einen Master-Abschluss in Chemie an der Boğaziçi-Universität erworben und begann danach, an der Technischen Universität Istanbul Tonkünste mit Schwerpunkt auf Klang- und Multimediakunst zu studieren. Gizems interdisziplinäre Sicht auf die Kunst führt sie zum Arbeiten auf verschiedenen Gebieten, darunter Video, generative Kunst, Installation und Performance. Gizem lebt zurzeit in Berlin und beteiligt sich dort an kreativen Gemeinschaftsprojekten im Bereich Film, Musik und neue Medien.

Neni Panourgia ist Visiting Associate Professor of Anthropology an der New School for Social Research (2013-2017) und Senior Research Fellow am Institute for Comparative Literature and Society der Columbia University. Sie leitet ein Projekt zum Altern, unterstützt von der Andrew Mellon Foundation, und unterrichtet als Adjunct Associate Professor am Institut für Psychologie der Columbia University, New York, im Rahmen eines Pilotprojektes, das einen Master-Studiengang im Hochsicherheitsgefängnis Sing Sing im Staat New York durchführt. Sie hat unter anderem die Bücher Dangerous Citizens. The Greek Left and the Terror of the State (2009) und Fragments of Death, Fables of Identity. An Athenian Anthropography (1996, mit George E. Marcus) veröffentlicht.

Anna Papaeti hat ein PhD in Musikwissenschaften am King's College, University of London, erworben und für die Royal Opera House Media in London (2004-2006) sowie als dramaturgische Assistentin an der Griechischen Nationaloper (2006-2009) gearbeitet. Ihre Postgraduiertenforschung umfasste ein DAAD-Stipendium für Studien an den antifaschistischen Arbeiten Bertolt Brechts und Hanns Eislers nach dem Krieg (Berlin 2010), sowie ein Marie Curie Intra-European Fellowship (Universität Göttingen, 2011-2014). In Letzterem ging es um den Einsatz von Musik zur Manipulation und Folter in der Zeit der griechischen Militärdiktatur (1967-1974). Papaeti hat ausführlich in Sammelbänden und wissenschaftlichen Zeitschriften publiziert. Sie hat zwei Sonderbände über Musik und Folter und Musik im Gefängnis herausgegeben und bezieht derzeit ein Stipendium der Onassis Foundation.

Prasini Lesvia ist ein queeres Musikprojekt, das von Alkis Papastathopoulos ins Leben gerufen wurde. Dieser nicht-radikale Einfall kam Ende 2012 als ein Zwang zur Mitteilung von Herzschmerz auf, außerdem als ein Versuch, sexuelles bzw. Liebesversagen in der Form von Schlafzimmeraufnahmen zu bewältigen. Bisher hat Prasini Lesvia zwei selbst produzierte Platten herausgebracht, zurzeit arbeitet die Gruppe an ihrer dritten und letzten. Seit 2014 tritt sie in diversen schwullesbischen Räumlichkeiten auf, begleitet von der musikalischen Partnerin Lara Kristen und anderen reizenden Menschen. Alle Lieder sind für Menschen geschrieben (davon die Hälfte für eine*n einzige*n unter ihnen), in die Prasini Lesvia einmal schwer verliebt war oder immer noch ist.

Judith Revel ist Professorin für Gegenwartsphilosophie an der Université Paris Ouest Nanterre La Défense (laboratoire Sophiapol, EA3932). Sie gehört dem Bureau scientifique des Centre Michel Foucault an und ist eine weltweit anerkannte Spezialistin für das Werk Foucaults. Ihre Forschung konzentriert sich auf die Frage, wie die Philosophie ihre eigene Praxis problematisiert hat, sowie auf den Bezug der Philosophie zu Politik und Ästhetik seit 1945. Ihr neuestes Buch Foucault avec Merleau-Ponty. Ontologie politique, présentisme et histoire erschien 2015.

Tasos Sakellerapoulos ist Historiker und leitet das historische Archiv des Benaki-Museums, Athen. Er hat mehrere Ausstellungen zu historischen Themen kuratiert, insbesondere zum politischen Leben im Griechenland des 20. Jahrhunderts. Er ist Mitglied des EMNE (Zeitschrift Mnemon) und gehört den Archiven für zeitgenössische Sozialgeschichte (ASKI) an. Er hat mehrere Aufsätze über die Deutsche Besatzung Griechenlands, über den Griechischen Bürgerkrieg (1946-1949) und die Diktatur der Jahre 1967 bis 1974 veröffentlicht. Er hat eigene Forschungen zur Entstehung eines neuen Bürgertums in der Zeit der deutschen Besatzung sowie zu politischen Bewegungen in der griechischen Armee im Nahen Osten während des Zweiten Weltkriegs durchgeführt, außerdem zum Umbau der Armee nach dem Krieg, zu politischen Verfolgungen im Nachkriegsgriechenland, zur Entstehung und Funktion des Militärlagers Makronissos, zur Einmischung der Armee in das politische Leben, zum Widerstand gegen die Diktatur von 1967 und zur Zeit nach der Wiederherstellung der Demokratie im Jahr 1974.

Georgia Sagri lebt und arbeitet in New York und Athen. Sie hat am Nationalen Konservatorium in Athen Musik studiert und einen BA der Kunsthochschule Athen sowie einen MFA der Columbia University in New York erworben. Im Zentrum ihrer Arbeit steht die Erforschung der Performance als ein Feld, das Teil des gesellschaftlichen Lebens und des visuellen Geschehens ist und sich ständig verändert. Ihre Kunst ist in großen Teilen vom eigenen anhaltenden Engagement in politischen Bewegungen und Initiativen für Autonomie, Ermächtigung und Selbstverwaltung geprägt. Sie ist Gründerin des reinen Hörmagazins FORTE und des fortlaufenden nomadischen Kurator*innenprojekts SALOON, außerdem Initiatorin von Ύλη (Hyle), einem halb privaten, halb öffentlichen Kunstraum im Zentrum von Athen.

Niillas Somby ist ein Streiter für die Selbstbestimmung der Sámi, Journalist, Videograf und Fotograf. Er war einer von sieben Hungerstreikenden im Zuge der Alta-Kontroverse (1982) und verlor bei einer Sabotageaktion einen Arm. Der Dokumentarfilm Give Us Our Skeletons (1999) von Paul-Anders Simma beschreibt Niillas Bemühungen, den Schädel seines Ahnen Mons Somby und den von Aslak Haetta von der Universität Oslo zurückzuerhalten. Sombys Autobiografie Gumppe Diimmus, bei ABC-Company 2016 publiziert, ist nur in der Sámi-Sprache erschienen. Seine Videos dokumentieren traditionelle und zeitgenössische Lebensweisen der Sámi, ihren Landbau und ihre Fischerei, sowie den anhaltenden Kampf um Selbstbestimmung. Seine Filme sind auf YouTube zugänglich.

Annie Sprinkle und Beth Stephens
Annie Sprinkle macht seit vier Jahrzehnten Multimediakunst zum Thema Sexualität. Sie war der erste amerikanische Pornostar mit einem Doktortitel. Ihr Coming-out als Ökosexuelle veränderte im Jahr 2008 ihr Leben für immer und zum Besseren. Sprinkle wurde mit dem Artist/Activist/Scholar Award von Performance Studies International ausgezeichnet. Sie pflegt viele Naturfetische und -fantasien. Dr. Beth Stephens ist eine ökosexuelle Performancekünstlerin, Filmemacherin, Aktivistin und Lehrerin. Ihr bevorzugtes persönliches Fürwort ist “Tree”. Tree macht seit mehr als 25 Jahren Kunst, tritt in Performances auf und schreibt Texte zum Schwul- und Lesbischsein, zu Feminismus und Umweltschutz. Ihr gegenwärtiger Schwerpunkt ist SexEcology, ein neues Forschungsgebiet. Dr. Stephens ist Gründungsdirektorin des E.A.R.T.H. Lab an der University of California Santa Cruz, wo sie seit 22 Jahren als Kunstprofessorin unterrichtet. Gemeinsam gründeten Stephens und Sprinkle die “Ecosex”-Bewegung und ergänzten 2015 GLBTQII offiziell um das E (für “ecosexual”) zu GLBTQII-E. Ihr preisgekrönter Dokumentarfilm Goodbye Gauley Mountain: An Ecosexual Love Story wurde international gezeigt und ist auf Netflix und iTunes erhältlich. Die beiden arbeiten derzeit an einem neuen Dokumentarfilm mit dem Titel Water Makes Us Wet. Sprinkle und Stephens sind mit Erde, Himmel, Meer, Boden und vielen anderen Naturwesen verheiratet.

Diana Taylor ist Professorin für Performance Studies und Spanisch an der New York University. In Mexiko geboren, hat sie ihre Ausbildung in Mexiko, Frankreich und den USA absolviert. Sie ist Autorin der preisgekrönten Bücher Theatre of Crisis: Drama and Politics in Latin America (1991), Disappearing Acts: Spectacles of Gender and Nationalism in Argentina’s ‘Dirty War’ (1997) und The Archive and the Repertoire: Performing Cultural Memory in the Americas (2003). Letzteres Werk gewann den ATHE Research Award in Theatre Practice and Padagogy sowie den Modern Language Asssociation Katherine Singer Kovacs Prize für das beste Buch über die Literatur und Kultur Lateinamerikas (2004). Taylor ist Herausgeberin und Mitherausgeberin von einem Dutzend Büchern, darunter Dancing with the Zapatistas (2016). Sie ist Gründungsdirektorin des Hemispheric Institute of Performance and Politics. Dieses Netzwerk verbindet Wissenschaftler*innen, Künstler*innen und Aktivist*innen in Nord- und Südamerika, die sich für soziale Gerechtigkeit einsetzen.

Prodromos Tsinikoris arbeitet als Regisseur, Dramaturg und Darsteller in Athen und Berlin. Er ist als Kind griechischer Einwanderer in Wuppertal geboren und zog 1999 nach Thessaloniki, wo er an der Abteilung für Drama der Aristoteles-Universität einen Abschluss erwarb. Im Mai 2008 wurde er zum Internationalen Forum des Theatertreffens in Berlin eingeladen. 2009 zog er nach Athen, wo er als Schauspieler mit dem Regisseur Dimiter Gotschef (als Bote in Die Perser, Nationaltheater Athen) sowie als Regieassistent und Rechercheur für Rimini Protokoll (Prometheus, Athen) arbeitete. Im Mai 2015 gehörte er dem Dramaturgie- und Rechercheteam des Projekts X Apartments an (Konzeption: Matthias Lilienthal), das vom Onassis Kulturzentrum produziert und in Athener Wohnungen aufgeführt wurde. Er hat für das Athens & Epidaurus Festival 2016 einen Hörspaziergang in der Athener Innenstadt zum Thema Obdachlosigkeit mit dem Titel “In der Mitte der Straße” inszeniert. Seit Oktober 2015 ist er gemeinsam mit Anestis Azas Künstlerischer Leiter der experimentellen Bühne -1 am Griechischen Nationaltheater.

Margarita Tsomou ist eine griechische, in Berlin lebende Autorin, Verlegerin, Dramaturgin und Kuratorin. Sie ist Herausgeberin des pop-feministischen Missy-Magazine und schreibt für deutsche Zeitungen und Radiosender. Ihre künstlerischen Gemeinschaftsarbeiten und kuratorischen Projekte wurden in Theatern wie der Volksbühne, im Hebbel am Ufer (beide: Berlin), im Kampnagel Hamburg, am Berliner Maxim Gorki Theater und am Onassis Kulturzentrum in Athen aufgeführt. Sie gehört dem Verlagskollektiv b_books in Berlin und der Aktivist*innen/Künstler*innengruppe Schwabinggrad Ballett in Hamburg an. Ihre Interessensschwerpunkte sind Queer-Feminismus, politische Aspekte der Kunst, Demokratietheorie und der Wandel der griechischen Gesellschaft im Zuge der Schuldenkrise.

Eirini Vakalopoulou wurde in Thessaloniki geboren. Sie studierte Internationale Beziehungen, erwarb einen MA in Werbung und hat für Werbeagenturen in Athen und als Marketing-Dozentin gearbeitet. Sie hat eine Novelle und zwei Gedichtbände verfasst.

Ioanna Vogli ist Absolventin des Instituts für Pädagogik an der Universität Patras und hat einen Master-Abschluss in Politikwissenschaften und Geschichte der Panteion-Universität erworben. Sie gehört den Archiven für zeitgenössische Sozialgeschichte (ASKI) an und hat an einigen ihrer Forschungen mitgewirkt, unter anderem zur “Griechischen Jugend in den ASKI” und zum “Griechischen Bürgerkrieg 1946-1949”. Sie hat außerdem an Klassifizierungen verschiedener Privat- und Firmenarchive gearbeitet.

Tina Voreadi ist bildende Künstlerin und Lehrerin und hat an kulturellen und politischen Projekten in Spanien und Griechenland gearbeitet.

Sergio Zevallos' erster großer Auftritt war seine Geburt im besten Krankenhaus von Lima, nachdem es seiner Mutter gelungen war, widerrechtlich in die dortige Notaufnahme zu gelangen. “Notfall” erwies sich als Schlüsselbegriff in seinem weiteren Leben, da schon wenig später Perus Notstandsgesetze der 1970er und 1980er Jahre in ihm ein Gefühl der Entwurzelung erzeugten. Später wurde er Mitbegründer des Grupo Chaclacayo (1982-1995) und kam mit der Gruppe 1989 nach Deutschland. Als sich die Gruppe 1995 trennte, zog er nach Berlin, wo er noch heute lebt. Er ist ein Nomade und wechselt oft Wohnorte und künstlerische Disziplinen. Er begann mit dem Zeichnen und entdeckte später Performance, Fotografie, Installation, Schreiben und die Mischung von alledem. Seine Arbeit entwickelt sich ständig weiter wie eine Baustelle. Ihre wichtigsten Themen sind transkulturelle Identität, Gender und die Widersprüche in den Beziehungen zwischen Einzelmenschen und Mächten oder zwischen Privatleben und Öffentlichkeit.

Gepostet in Neues am 12.09.2016