Nevin Aladağ

Trommel, ein Tisch. Stühle, eine Streichergruppe. Resonanzkörper: Formen, die uns halten, Klänge, die uns formen, Formen, die wir im Musikzimmer der Künstlerin spielen [Trommel]. Welche Künstlerin? Nevin Aladağ. Welches Zimmer? Jenes, das klingt [Trommel]. Einen Raum mittels Stimme möblieren, den Boden (für zukünftige Sessions) mit zukünftigen Instrumenten bereiten, das ist es, was Aladağ mit ihrem Musikzimmer (2015–) macht. Ihre Formen – Möbel, die zu Instrumenten werden, mitschwingende, empfangende und sprechende Körper in einem – verlangen nach Körpern [Trommel]: Hände, die auf den Tisch schlagen [Trommel] oder einen Stuhl zupfen; Körper, die Klänge reflektieren; Körper für Resonanz, Widerhall, Resistenz. Aladağ, 1972 in der Türkei geboren und nunmehr in Deutschland lebend, versteht Form [Trommel] als fortwährenden Akt des Übersetzens – als Körper [Trommel], der vergänglich ist [Trommel], immer. Ihre Skulpturen, Videos und Performances übersetzen und pendeln zwischen Form und Funktion, Klang und Schweigen, Bewegung und Ruhe. Ihre Arbeiten überschreiten formale und funktionelle Grenzen [Trommel], sie bewegen sich durch ästhetische und politische Kategorien [Trommel], durch historische und ideologische Räume [Trommel]. Sie verändert Objekte, so wie unsere Körper [Trommel] verändert werden; sie positioniert Objekte [Trommel], so wie unsere Körper positioniert werden; sie möbliert Räume, so wie unsere Körper Möbel benötigen [Trommel], Musik benötigen. Stilzimmer oder Musikzimmer, Hof, Salon oder Club [Trommel]: Immer wieder erinnern die musikalischen Installationen der Künstlerin an die Musiksalons des europäischen Bürgertums im 16. und 17. Jahrhundert oder an die profaneren Rembetiko-Clubs im Athen des ausgehenden 20. Jahrhunderts mit ihren Bouzoukis, Ouds und Daoulis [Trommel]. Wie stattet man einen Raum aus? Wie sitzt man auf einem Stuhl? Wie erzeugt man einen Klang? Wie erzeugt man einen Körper [Trommel] unter anderen Körpern? Wie spielt man solche Grenzen? Frühere Arbeiten der Künstlerin beschäftigen sich mit anderen Formen des Vermittelns und Übersetzens: So zeigt das Video Borderline (2014) den blauen Ausblick eines Bootes, seine fahle Spur im Wasser sowie das GPS-Display des Schiffs [Trommel], das die Seegrenze zwischen Griechenland und der Türkei verzeichnet. City Language I (2009) präsentiert im vierteiligen Raster eines Split Screens den urbanen Außenbereich selbst als eine Art Musikzimmer. Der Wind spielt auf einer aus dem Autofenster gehaltenen Flöte, Klanghölzer purzeln die Straße hinunter, ein Tamburin gleitet hinter einem Boot über das Wasser. Landschaft als Orchester, Raum als Ensemble, Objekte als Apparate, jedes Ding als Performance, potenziell [Trommel]. Der Körper instrumentalisiert – ein Instrument. Das Instrument als Form der Ruhe oder Klang. Der Raum (der Künstlerin oder des Gedichts) als Trommel [Trommel] [Trommel].

— Quinn Latimer

Gepostet in Öffentliche Ausstellung
Auszug aus dem documenta 14: Daybook
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