Panos Charalambous

Panos Charalambous, DJing with agave leaves, rose thorns, and carnivorous predator (eagle), 2014

Panos Charalambous, Flatus Vocis, 2017, Audio-Happening, Megaron, Die Athener Konzerthalle, documenta 14, Athen, Foto: Stathis Mamalakis

Panos Charalambous mit Vassilis Charalambidis, Angelos Krallis, Panayotis Panopoulos, Voice-o-Graph, 2017, Installation und Performance, Fridericianum, Kassel, documenta 14, Foto: Mathias Völzke

„Wohin wandern die Stimmen, wenn wir sie nicht mehr hören?“ Über mehr als ein Jahrhundert wurden sie auf Schallplatten gepresst, zumeist Singles mit 45 U/min und 12-Zoll-Vinyl-LPs, seltener auf besondere handgefertigte Acetat-Scheiben mit 10 Zoll Durchmesser und 78 U/min, die man selbst besprechen und an Freund_innen und Verwandte überall auf der Welt verschicken konnte. Vor allem Auswanderer_innen in den Vereinigten Staaten vertrauten den Rillen ihre Stimmen an, damit sie den Weg über den Atlantik fanden.

Was macht ein Sammler-Künstler, wenn er unter den vergessenen Stapeln eines Athener Trödelladens ein ganzes Archiv solcher Aufnahmen entdeckt? Welche Verantwortung trägt er gegenüber diesen Stimmen oder den Menschen, an die sie sich wenden? Welchen Bezug kann Panos Charalambous, geboren 1955 in der westgriechischen Region Ätolien-Akarnanien, zu ihnen herstellen? Wie sollte er mit dem verletzlichen Leben dieser Stimmen umgehen? Und für den Fall, dass er sich entschlösse, sie ihren eigentlichen Empfänger_innen zurückzugeben: Wann, wo und wie könnte das geschehen?

Mit jedem Abspielen nutzen sich Schallplatten unweigerlich ab. Die Stimmen sind in ein empfindliches Material graviert, das Dauer und Zeit nicht standhält. Jede momentane Wiederbelebung beschleunigt ihre endgültige Auslöschung. Sie können nur weiterhin bestehen, wenn jemand Verantwortung für ihre fragile Existenz übernimmt und ihren Zerfall durch das erneute Aufleben akzeptiert. Wenn sich jemand ihrer Lebendigkeit annimmt und die Angst vor dem Tod verwischt.

Sind manche Wiederbelebungen vielleicht wertvoller als andere? Die Nadel verfängt sich immer wieder auf unterschiedliche Weise in der Rille. Bei einem neuen Versuch könnten die Stimmen noch klarer klingen als zuvor, trotz des Geräusches, das die Platte selbst verursacht, und trotz der tiefen Einschnitte und schmerzvollen Kratzer. Vielleicht braucht es nur den richtigen Raum. Vielleicht der Raum, in dem die Stimmen ursprünglich gehört wurden, unter den Fotografien, die das Bild der Sprechenden bewahren. Wenn die Bilder endlich wieder auf ihre eigenen Stimmen und die lebendigen Stimmen derer treffen, die sie wiedererkennen, wird Erinnerung zum Sprechen gebracht. Zerfall und Wiederauferstehung zur gleichen Zeit: Diese Stimmdenkmäler sind der „schwarze Marmor“ des vergangenen Jahrhunderts.

— Panayotis Panopoulos

Gepostet in Öffentliche Ausstellung
Auszug aus dem documenta 14: Daybook
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