Bonita Ely

Als System interdependenter Elemente, die sich gegenseitig stärken und erhalten – so versteht die 1946 in Australien geborene und in Sydney arbeitende Künstlerin Bonita Ely den Begriff der Ökologie. Ökologische Strukturen im Zustand der Harmonie sind robust, während Störungen ihre Verwundbarkeit aufzeigen.

Ein Beispiel für die lebenslange Auseinandersetzung Elys mit ökologischen Fragen ist The Murray River Project (1977). Der Murray River wurde vor seiner Besiedlung durch Kolonist_innen von den an seinen Ufern lebenden Aborigines-Gemeinschaften als heiliges Gewässer verehrt. Heute ist der Fluss in einem kritischen Zustand. Elys jüngstes Engagement umfasst eine detaillierte, forensisch genaue Fotodokumentation des ausgetrockneten und verschmutzten Stroms, kontextualisiert durch Einschnitte in die umgebende Landschaft. Tatorte gewissermaßen, makabre Inszenierungen eines langsamen Todes.

Elys Beschäftigung mit Orten gestörter Ökologie führt zur Aus-einandersetzung mit der Frage, wie Traumata nicht nur in ökologischen, sondern auch in sozialen, politischen und kulturellen Zusammenhängen verstanden werden können. Memento Mori, ihr Projekt für die documenta 14, führt in zwei großformatigen Installationen in Athen und Kassel die traumatischen Folgen von Krieg und Vertreibung einerseits und Umweltverschmutzung andererseits zusammen.

Der erste Teil, eine Überarbeitung der Installation Interior Decoration (2013), beleuchtet die durch Kriege verursachten chronischen Folgen posttraumatischer Belastungsstörungen, die sich auf mehrere Generationen auswirken und das psychologische Gefüge sowohl in Athen als auch in Kassel prägen: Athen als Schauplatz eines massiven ökonomischen Traumas und Übergangssphäre zwischen Europa und dem Nahen Osten; Kassel als Ziel syrischer Flüchtlinge und Sitz einer der größten Panzer- und Munitionsfabriken Deutschlands. Die Installation verortet Prozesse der Militarisierung im häuslichen Umfeld und wirft zugleich ein Schlaglicht auf die Domestizierung des Militärischen.

Die zweite Installation – Plastikos Praegressus (2017) – beschreibt als (gar nicht so) futuristische Dystopie die Szenarien, die aquatischen Ökosystemen drohen, wenn die Umweltverschmutzung in ihrem derzeitigen Tempo weiter voranschreitet. Skulpturen wundersamer Wesen der Meeresflora und -fauna, die dank Evolution in der Lage sind, den Plastikmüll der Straßen zu verdauen (veranschaulicht an den Städten Sydney, Athen und Kassel), stehen Seite an Seite mit botanischen Darstellungen dieser neuen „Arten“. Mithilfe von gedrucktem und digitalem Material stellt die Künstlerin Verbindungen zwischen den drei Städten in Form von Meeres- und Flussströmungen her und zeigt, wie das Leben auf der einen Seite des Planeten durch den Müll der anderen Seite wesentlich beeinträchtigt wird.

Mit ihren eindrucksvollen Inszenierungen schafft Bonita Ely die Basis dafür, Ökologie als Trans-Ökologie zu verstehen: als ein komplexes System natürlicher und sozialer Phänomene, das die physischen und psychischen Landschaften aller Lebenswelten auf globaler Ebene durchdringt.

— Hendrik Folkerts

Gepostet in Öffentliche Ausstellung
Auszug aus dem documenta 14: Daybook
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von Bonita Ely

Wir laden Sie ein, in diesem Workshop mit der Künstlerin Bonita Ely über die anhaltenden, von einer Generation zur nächsten weitergegebenen Folgen nicht erkannter, unbehandelter posttraumatischer Belastungsstörungen…

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